dreiminuten02-rahmen1Samstag – Wochenende – Weggehen. Die Dreieinigkeit der Freizeitgestaltung zwischen Donnerstag und Sonntag. Ebenfalls dazwischen: Überlegungen zu einer weiblichen DJ – Kultur und das Nichtvorhandenseins eines Kults.

„Either you can hear his-tory, or history, and the only way you gonna hear the real historical view on it is by the people who were actually there…“ Grandmaster Flash über eine Geschichte der DJ-Kultur in Ulf Poschardts ‚DJ Culture‘.

Das ist nicht so gemeint. Aber so, wie ‚his-tory‘ hier im Schriftbild auseinander gezogen wird: was ist denn dann mit ‚her-story‘?Wenn es so etwas wie eine weibliche Geschichtsschreibung in der Popmusik* geben würde, wie könnte die aussehen? Die Frau im Pop – Pop hier weniger als Musikrichtung als einen im selben Referenzraum stattfindender musikalischer Mainstream – ist  vor allem Objekt des männlichen Blicks. Den Versuch, eine alternative – weibliche – Musikgeschichte aufzuzeichnen, hat die britische Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie 1978 in einem Essay über ‚Rock and Sexuality‘ gemacht. Sie untersucht frauenfeindliche Tendenzen in der Rockmusik und stellt fest: „Some feminists have argued that rock is now essentially a male form of expression, that for women to make nonsexist music it is necessary to use sounds, structures, and styles that cannot be heard as rock.“

Das würde doch definitiv dafür sprechen, dass sich Frauen vermehrt dem und der Produktion von elektronischer Musik* widmen. Warum sind produzierende und mischende  Frauen immer noch eine seltene, eine Randerscheinung? Erziehung und Musiksozialisation bringen Frauen  – auch meiner Generation – in den seltensten Fällen in den direkten Kontakt mit der Technik, die hinter der Produktion von Musik steht. Auch wenn sie jedes Wochenende dazu tanzen: mit der Soft- und Hardware, die hinter einem ekstatischen Wochenende steht kennen sich die wenigsten aus. Und sowohl im direkten Umfeld als auch auf dem weiten Feld der Popkultur gibt es wenige, die die Möglichkeit zur Identifikation bieten und als Vorbilder dienen könnten.

Aber es gibt es sie ja doch. Am Anfang und heute. Musique concréte, erste Synthesizer: Komponistinnen und Produzentinnen wie Daphne Oram oder Pauline Oliveros, die im BBC Radiophonic Workshop an neuen Soundwelten bastelten. Heute heißen die Koordinaten Berghain und Dubstep: Ellen Allien, Labelchefin, DJ und Produzentin und Cooly G, die auf dem stilbildenden britischen Label Hyperdub veröffentlicht und den Respekt von Labelchef Kode 9 genießt.

Noch einmal zurück zum Eingemachten und zurück zur Hardware: ein Versprechen des Einzug der Maschine in den Pop bei Kraftwerk war, die Angleichung von Mensch und Maschine – und damit einhergehend auch eine Form von Geschlechtslosigkeit. Ist elektronische Musik heute – insbesondere Techno, als einer ihrer populärsten Spielarten – eigentlich geschlechtslos? Sind beim Tanzen alle gleich? Diese Frage stellen sich Christine Braunsreuther und Marcus Maida in einem Beitrag zu der Gender-Ausgabe der testcard-Anthologien. Sie befragen Akteurinnen elektronischer Musik – Produzentinnen, DJs, Musikerinnen – zu ihren Erfahrungen, Anforderungen und  bei und mit ihrer Arbeit. Und stellen fest, dass diese Frauen „noch mehr leisten müssen als Männer, noch mehr Ideen und noch mehr Power haben müssen“ um ähnliches zu erreichen. Das es diese Frauen und ihre Musik überhaupt gibt, ist für Braunsreuther und Maida der progressive Moment. Aber die Restresignation bleibt.

10 Jahre sind seit dieser Bestandsaufnahme vergangen. Oberflächlich hat sich nicht viel geändert. Auch das Revival der elektronischen Musik – in Berlin, vor allem – hat keinen offensichtlich höheren Frauenanteil hinter Turntables und Kontrollern mit sich gebracht. Und die oben aufgeführten Beispiele bleiben eben Beispiele, zwei von wenigen.

Was auch am Ende übrig bleibt und was am Ende dieser Überlegungen steht: Eine weibliche DJ-Kultur – was kann das sein? Wenn ja: wozu? Wie können Struktur aussehen –  wo gibt es sie schon?

*Die Begriffe Pop und elektronische Musik bezeichnen natürlich jeweils ein zu vielfältiges Phänomen, um sie als definitive Begriffe zu gebrauchen. Stattdessen sollen sie in diesem Text eher stellvertretend für den Diskurs um den jeweiligen Begriff stehen.