Foto: transmediale

„Bitte nicht stehen bleiben“, ruft Stefanie Wuschitz den Typen oben am Geländer zu. Sie glotzen trotzdem weiter auf die rund zwanzig Frauen, die an Schaltkreisläufen schrauben im Foyer des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin. Dort findet die transmediale statt und in deren Rahmen Mz Balthazar’s Labratory, ein zweitägiger feministischer Workshop mit dem Motto: Do it yourself. Wir werden endlich mal erfahren, wie hacken funktioniert. Die Medienkünstlerin Stefanie Wuschitz, Leiterin des Workshops, hat uns um eine große Werkbank versammelt, auf der lauter Drähte, elektrische Leiter und Batterien liegen. Bevor wir aber beim nächsten großen Hacker-Angriff, bei der nächsten Operation Payback mitmachen können, müssen wir wohl erst mal Löten lernen und die Kabel dann auch noch richtig verbinden. Auf der anderen Seite des Holztischs steigt eine Rauchwolke empor, ein bisschen wie bei Loriots Hoppenstedts „Komm wir bauen uns ein Atomkraftwerk“. Aber Nadine und Susanne haben alles richtig gemacht; es macht nicht puff, dafür leuchten am Ende die Lämpchen. Nächster Schritt: Roboterinnen bauen. Erst hauen wir mit Hämmern auf alte Handys, um dann vorsichtig mit einer kleinen Kneifzange deren Herzstück zu entfernen, den vibrierenden Motor. Mit dem hauchen wir schließlich den so genannten Angstpuppen Leben ein. Sie zittern, kaum erblicken ihre sensiblen Augen das Licht. Operation vollendet.

Stefanie freut sich über die begeisterten Mädels und darüber dass es klappt: Die Befreiung vom Mythos. Vom Mythos der undurchschaubaren Technik, der weiblich sozialisierte Menschen so oft vom Basteln an der Elektronik abhält. In Stefanies Hackerspace in Wien, einem Ort, an dem sich Interessierte zum Austausch über Kunst und Computer treffen, ist das Geschlechterverhältnis so wie in den meisten Gruppen, wo es um Soft- und Hardware geht: Nur acht Prozent sind Frauen. Und denen wird dann das Gefühl gegeben, nicht dazuzugehören und es doch eh nicht zu verstehen. Hier nicht. Sich Elektronik aneignen und dabei alle noch so ‚dummen’ Tech-Fragen stellen dürfen, es einfach mal selber probieren, das will Stefanie Wuschitz ihren Teilnehmerinnen ermöglichen. Dass das Haus der Kulturen der Welt, der Veranstaltungsort der transmediale, dafür keinen geschlossenen Raum bietet, ist schade und könnte die Idee des Workshops beinahe torpedieren. Immer wieder locken wir Schaulustige an, deren Kameras die offensichtlich exotische Szenerie einfangen. Aber Stefanie verscheucht sie alle. Und so traue ich mich, erneut zu fragen, ob grounded jetzt plus oder minus ist.

Am nächsten Tag demystifizieren wir weiter, indem wir einfach selber zaubern. „Wie diese Dame hier“, Stefanie zeigt auf ein Bild von Mary Poppins auf dem Flatscreen neben ihr. Dafür verwenden wir einen Open Source Mikrokontroller, mit dem schnell und einfach verschiedene Inputs, z.B. Sensoren, Webcams, Internetseiten, mit diversen Outputs, z.B. Licht, Ton, Bewegung, Animation verbunden werden können. Der Hersteller des Mikrocontrollers heißt Arduino. Wir nennen das Ding Arduina und freuen uns vor allem über ihre Schwester LillyPad: Ein runder Mikrocontroller, dessen Anschlüsse in einem lilafarbenen Blumenmuster angeordnet sind. Stefanie zeigt auf dem Screen, was damit gebastelt werden kann. Ein Notfallamulett zum Beispiel: Sollte die Trägerin angegriffen werden und die gläserne Hülle des Halsbands zerbrechen, wird ein Chip aktiviert, der Signale an das Handy der Trägerin sendet. Das ruft automatisch Hilfe. Bevor wir so interaktive Beschützerinnenkunst zaubern, experimentieren wir erstmal drauflos: In die Input-Anschlüsse stecken wir USB-Kabel, die wir mit unseren Laptops verbinden und geben dann Zahlen in die Beispiel-Programme ein, die den Output bestimmen, also das, was auf unserem Schaltbrett passiert. Und es passiert was: Kleine Propeller drehen sich, bunte Lichter blinken auf und Sound ertönt. Wir haben einen Code geschrieben! Den Code für eine Mini-Disko.

Wieder bleiben zwei Jungs neben uns stehen: „Wie cool! Dürfen wir mitmachen?“ Sorry, nur Frauen. Vorerst. Wenn Frauen sich die Elektronik im geschützten Raum erst einmal angeeignet haben, können alle Menschen es ja auch irgendwann zusammen machen, das Hacken. „Hacking ist Sharing“, sagt Stefanie.