gabyberlinale-rahmenHeute morgen bin ich mal nicht zum Berlinale-Palast und in den RAF-Film im Wettbewerb „Wer wenn nicht wir“ von Andres Veiel gegangen. ( Wann kommt eigentlich mal endlich das erste RAF-Musical oder wenigsten eine RAF-Groteske dachte ich gestern so bei mir, nachdem ich in aller Herrgottsfrühe Moritz Bleibtreu in „Mein bester Feind“ als moppligen und völlig unpassend stets quietschfidelen Juden erleben musste – es bleibt einem auf dieser Welt im allgemeinen und auf der Berlinale im Besonderen schließlich wenig erspart….) Weiterer Nebenschauplatz: Ich fordere zehn Jahre Nazifilmverbot für den unerschrockenen Moritz Bleibtreu, im Ernst jetzt!
Doch ich schweife ab: Heute morgen also bin ich stattdessen zum Berlinale Talentcampus getigert. (Jedes Jahr kann sich jeder auf der Welt, der mit Film zu tun hat – von der  RegisseurIn bis zur SounddesignerIn – dort bewerben. Beim Talentcampus trefft ihr dann eine Woche lang auf Experten, die Euch bei Eurem Fortkommen weiterhelfen)
Heute kam Paul Schrader, der legendäre Drehbuchautor von „Taxi Driver“, „American Gigolo“, „Raging bull“ und „Der Gejagte“ – um nur einige zu nennen. In vielen Filmen hat er zudem noch Regie geführt.
p1040921Die Veranstaltung nannte sich ganz fluffig „The Schrader way to start a film“ und da dachte ich, das wäre möglicherweise ein Thema, was die schreibenden Missys unter Euch, insbesondere diejenigen, die sich mit Drehbüchern herumplagen, interessieren könnte.

Also hier nun ein paar der bärbeißigen Tips eines alten Drehbuchhasen, der Martin Scorsese stets zärtlich „Marty“ nennt…:

1. Superwichtig: Die Eröffnungssequenz: Dein Publikum will genau wissen, um was für einen Film es sich handelt, damit es sich voll und ganz darauf einlassen kann. Nur dann sind sie in der Lage den Film zu genießen. (Zum Beispiel wird der „American Gigolo“ als oberflächlicher Typ in einer oberflächlichen Welt eingeführt. Die Musik von Giorgio Moroder tut dazu ihr übriges…)

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2. Sei froh, wenn der Regisseur Dir – als Autoren – den Film überhaupt zeigt, meistens bekommst Du ihn nicht eher als das normale Publikum zu sehen…

lagerfeuer3. Als DrehbuchautorIn musst Du Geschichten erzählen und nicht Geschichten schreiben! Du musst sie wieder und wieder den Leuten erzählen – sie müssen sich wie „Lagerfeuer-Geschichten“ anhören.

4. Beim Drehbuchschreiben ist das Timing das Wichtigste! Eine Szene, die zu spät kommt ist keine gute Szene!

5. Geh’ mit jemandem in ein Restaurant. Erzähl’ ihm Deine
(Film-)geschichte. Dann verschwinde auf Toilette. Wenn Du zurückkommst und Dein Begleiter Dich nicht nach dem Ende der Geschichte fragt, steckst Du in Schwierigkeiten…

6. Wenn Deine Figuren nur an irgendeiner Stelle belehrend klingen, bist Du tot…

downloadedfile27. Arbeite stattdessen mit Bildern. In „Taxi Driver“ ist es zum Beispiel so: In dem Moment, in dem wir das gelbe Taxi sehen, wissen wir, was Einsamkeit ist.

8. Schreibe keine Kameraeinstellungen in Dein Skript – das ist nicht die Aufgabe der DrehbuchautorIn. (Natürlich kannst Du dezente Hinweise auf die gewünschte Kameraeinstellung geben)

9. Seite 85 – 95 eines Drehbuchs (eine Drehbuchseite entspricht etwa einer Minute) sind am schwierigsten – spätestens da holen Dich die Schwächen Deines Skripts ein….

10. Bist Du selbst auch noch die RegisseurIn, musst Du Deinem gesamten Team größtmögliche Freiheit geben: Als RegisseurIn hast Du die Aufgabe aus jedem das Beste rauszuholen und gemeinsam das Skript auf das nächsthöheren Level zu hieven!

…Und wußtet Ihr eigentlich, dass für „American Gigolo“ statt Richard Gere ursprünglich John Travolta vorgesehen war? Das scheiterte dann an Scientology…Und den RAF Film mit der ganz jungen Gudrun Ensslin hole ich selbstverständlich nach – bin jetzt schon gespannt auf die Eröffnungssequenz und ob ich mir die story gerne am Lagerfeuer erzählen lassen würde…

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