differentneeds-rahmenJetzt hat Gabriele Scholz euch einen Monat lang in Sachen Film und Berlinale auf dem Laufenden gehalten und nein, ihr müsst keinen kalten Entzug erwarten. Ich starte meinen Gastblog nämlich mit einem Film, damit der Abschied vom Berlinale-Monat nicht zu hart für euch wird.

Eigentlich wollte ich Wild Tigers I Have Known schon im Kino sehen. Im Programmkino versteht sich, denn die kleinen Filme schaffen es ja selten in die Hallen des Mainstream-Films. So oder so habe ich es verplant. Aber den Flyer zum Film habe ich aufgehoben und der ist mir vor kurzem mal wieder zwischen die Finger gekommen. Also habe ich die DVD bestellt und mir den Film von 2006 endlich mal angesehen.

Wild Tigers I Have Known ist Cam Archers ziemlich experimentelles Spielfilmdebüt. Er ist 23 als er den Film dreht, für den er Gus van Sant (My Own Private Idaho, Paranoid Park, Milk) als Produzenten ins Boot holt.

Es ist unmöglich, den Film in einer Chronologie zu erzählen. Extrem langsame Sequenzen wechseln sich mit schnell geschnittenen Teilen ab. Mal haben die Bilder einen poetischen Anklang, dann wirken sie wieder wie ein LSD-Trip. So ganz will das alles nicht zusammengehen. Auch die Musik ist zum Teil anstrengend. Krachende Laute unterstreichen wohl die Uneinigkeit des Protagonisten mit sich selbst und irgendwie auch die Uneinigkeit der Bilder an sich. Letztlich ist das vielleicht auch nur konsequent.

Der 13-jährige Logan (Malcolm Stumpf) geht auf die Junior High und ist anders als die anderen. Er trägt Herzchen-Pullunder und Nagellack. Deswegen wird er von vielen gemieden, von einigen gemobbt. Sein bester Freund Joey (Max Paradise) steht zu ihm, ist sich aber auch nicht so ganz sicher, wie sein Kumpel nun wirklich tickt. Er macht sich so seine Gedanken und präsentiert Logan eine Liste – „Ways to be cool“. So richtig cool ist die aber auch nicht. Immerhin steht er zu Logan wie ein ehrlicher Freund und traut sich zu sagen („You look weird“) und zu fragen („Are you gay?“).

wild-tigers-i-have-known-plakat

Logan verknallt sich in den älteren Rodeo (Patrick White). In einer Traumwelt verbringen die beiden Zeit miteinander. Sie spazieren im Wald, laufen am Strand entlang oder über den verlassenen Rummel. In Logans Traumwelt sprechen die beiden darüber auszureißen und mit den Berglöwen zu leben. Nachts ruft Logan Rodeo an und gibt sich als Mädchen aus. Er versucht seinen Schwarm zu verführen. Verwirrend hierbei: Cam Archer lässt diese Sequenzen von einer Frau sprechen. Was ist Traum? Was ist Realität? Klar wird dies dem_der Zuschauer_in nicht.

Das Thema ist klassisch: Die Highschool durchstehen, wenn man kein Cheerleader oder Footballspieler ist. Cam Archer zeigt die Identitätssuche junger Menschen, wie auch schon Gus van Sant, zum Beispiel in Elephant oder My Own Private Idaho. Logan wird zum Außenseiter, weil er sich weder seines kulturellen Geschlechts noch seiner Sexualität sicher ist. Gut, dass er einen Freund wie Joey hat und eine Mutter, die zwar überfordert wirkt, ihren Sohn aber letztlich unterstützt. Gut auch, dass zwar von Suizid gesprochen wird, Archer das aber als Option für seine Figuren ausschließt.

Der Film polarisiert. Martin Büsser war in seinem Intro Review begeistert, auf vielen Filmkritik-Websites schneidet er dagegen nicht so gut ab. Ich finde, dass Archers Stil in Musikvideos (etwa im Video zum Titelsong Wild Tigers I Have Known von Emily Jane White) oder in seinen Kurzfilmen (zum Beispiel Godly Boyish) besser funktioniert als hier in Spielfilmlänge. Trotzdem ist der Film sehenswert. Und wer weiß? Vielleicht wird Archer auch mal eine Karriere machen wie van Sant sie vorgelegt hat.

Hier ist das Musikvideo zu Wild Tigers I Have Known von Emily Jane White (Der Tigermaskenträger ist übrigens Schauspieler Patrick White):

[youtube width=“425″ height=“355″]http://www.youtube.com/watch?v=Aw6Kh-lzVgM[/youtube]