„Hallo zusammen… Ich bin Martina und ich hasse Tierkinder“… Das ist, was mir gerade durch den Kopf geht: beim Schauen der TV-Serie Bauer sucht Frau. Nämlich in dem Moment, als der Moderator mit sonorer Stimme erklärt, dass die heikle Heike aus Heilbronn das Gesabber einer kleinen Kuh schon noch zu schätzen lernen wird. Muss Heike doch – wie alle Frauen – unbeholfene Tierkinder lieben.

Wie alle Frauen, klingt es bei mir nach. Der Satz hat auf mich immer dieselbe Wirkung: In meiner geistigen Selbsthilfegruppe sitze ich mit Ausgestossenen ähnlicher Art. Wir sitzen im Kreis, melden uns abwechslungsweise und erzählen einander, warum wir uns nicht friedlich einreihen können in die Riege liebevoll geklöppelter Frauenbilder.

Natürlich hasse ich keine Tierkinder, aber mir schiesst auch nicht die Milch ein, wenn sich ein Kälbchen den Sabber vom Knie leckt. Zu oft fühle ich mich nicht angesprochen, bei sogenannten Frauenthemen. Dafür bin ich zu vielschichtig und zu kompliziert. Denn ich habe Brüste UND ich verbringe abenteuerliche Samstage in Baumärkten UND ich finde Weiss auch beim Hochzeitskleid eine hässliche Farbe UND ich habe Komplexe wegen meiner Figur.

Nichtsdestotrotz, meine Wut hält mich nicht ab vom Fernsehschauen. Im Gegenteil. Das Fernsehen gehört einfach in mein Abendprogramm und meine Lieblingsserien sind derer viele. Bauer sucht Frau, Goodbye Deutschland, Auswanderer sucht Frau, ja sogar Schwiegertochter gesucht lösen bei mir Jubel aus, wenn die neuen Folgen starten. Ich liebe es, Beobachterin verstrickter Beziehungskisten zu sein. Ich sehe zu beim Verlieben und Entlieben, beim Streiten und beim Hassen und beim Mit-Mama-Kuchen-backen. Und währenddessen fiebere ich mit.

Und so ganz alleine vor dem Fernseher traue ich mich, eine andere Seite von mir auszuleben. Während ich im Alltag versuche, Contenance zu bewahren, wenn mir einer dumm kommt, bin ich vor dem Fernseher eine richtige Bitch. Lässt einer den Macker raushängen – beschimpf ich ihn aufs Übelste. Vernachlässigt einer seine Freundin – pick‘ ich mir seine Schwachstellen raus und hack‘ auf ihnen rum. Tut eine Frau besonders schwächlich, um beim Mann zu landen – lass ich kein gutes Haar an ihr. Denn, wenn ich ehrlich bin, in all den Leuten, die sich im Fernseher abmühen, ein halbwegs ehrbares Leben zu führen, spiegeln sich einige meiner eigenen Geschichten.

All die Male, in denen ein autoritärer Chef Bullshit erzählte – und ich ihm trotzdem aufmerksam zuhörte. Und die Momente, in denen ich völlig zu Unrecht völlig vernachlässigt wurde – und ich dem Typen hinterhertelefonierte. Und dann die kleinen Alltagssituationen, wo ich Demütigung spüre – und trotzdem lächle.

Ich sitze vor dem Fernseher und schaue TV-Serien. Na und. Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein. Und hier übe ich und rüste auf – für den Alltag.

 

Martina S. Piasevoli