Wer die laufenden Debatten um Sexismus in Deutschland verfolgt, kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass viele der – meist männlichen Diskutanten – nicht verstehen, worum es überhaupt geht. „Wie soll man dann nun noch in Ruhe mit einer Frau flirten?“ wird da gefragt. Und die armen (alten, weißen) Männer befürchten, dass die frigiden Emanzen dem ach so lustvollen Treiben mit ihrem „Flirtverbot“ ein Ende setzen wollen.

Comic: Tatsuya Ishida

Aber nein, Sexismus hat erst einmal nichts mit – einvernehmlichen – Sex, geschweige denn Flirten zu tun. Die drei delikaten Buchstaben in dem ismus-Wort beziehen sich auf das englische Wort für „Geschlecht“. Dementsprechend will die Antisexismus-Bewegung auch nicht den Geschlechtsakt und sein Vorgeplänkel stigmatisieren und kritisieren, sondern eben ein Gesellschaftsverhältnis, in dem die Diskriminierung auf Grund des sozialen Geschlechts (Gender) auf der Tagesordnung steht und – oftmals unerkannt  – in alle gesellschaftlichen Bereiche eindringt. Ein oft vernachlässigter Aspekt in der Definition von Sexismus ist die Bedeutung von Macht, die als ein ständiger Begleiter der Vorurteile und den daraus folgenden Diskriminierungen gesehen werden kann. Wir befinden uns in einer Gesellschaftsform, in der das Machtungleichgewicht zwischen Mann und Frau als historisch gegeben erscheint und ständig – gewollt oder ungewollt – reproduziert wird. Und zwar von allen Geschlechtern. Der „Mann“ stand und steht weiterhin über dem Geschlecht Frau, denn er galt von je her als Norm und die Frau als Abweichung davon.

 

Die feministische Definition des Sexismus, verstanden als die Kombination von Vorurteilen und Macht, drückt sich sowohl in ökonomischen Verhältnissen, als auch in Form von physischer und psychischer Gewalt aus. Demzufolge kann sich Sexismus in blöden „Herrenwitzen“ äußern, durch unangemessene Sprüche und körperliche Übergriffe am Arbeitsplatz, schlechtere Löhne und Bedingungen bei der Einstellung, durch eingefahrene Vorstellungen über die Rollenverteilung, abwertende Bezeichnungen, die auf die vermeintliche Schwäche und Dummheit der Frauen aufmerksam machen sollen, durch Reduktion der Frau auf ihren Körper, sexuelle Übergriffen in der Öffentlichkeit, häusliche Gewalt und vieles mehr.

Die Liste von sexistischen Verhaltensweisen ist lang, das alltägliche Leben bietet unendlich viele Beispiele und die Übergänge zwischen den einzelnen Bereichen sind fließend. Dass so gut wie jede Frau in ihrem Leben etwas Derartiges schon erlebt hat, zeigt der Hashtag #aufschrei. Aber die sexuellen Übergriffe sind nicht der Kern des Problems, sondern nur Symptome einer Gesellschaft, in der Sexismus systematisch und institutionell verankert ist. Die allgemeine Tendenz geht dahin, der Frau weiterhin das Gefühl zu geben, kein gleichwertiges Lebewesen in der Gesellschaft zu sein, sondern sie vom Mann, der als stärkeres Glied gilt, abzugrenzen.

 

Der Sexismus von der holden Maid

Sexismus äußert sich mal direkter und mal versteckter. Der direkte Sexismus, der sogenannte „feindliche Sexismus“, bedient das stereotype Bild eines Machos, der Sprüche äußert wie: „Die Frau gehört in die Küche und nach Hause zu den Kindern und hat dafür zu sorgen, dass mein Essen auf dem Tisch steht wenn ich von der Arbeit komme“ oder sich am Arbeitsplatz mit einem Klaps auf den Po von „der Süßen“ einen Kaffee bringen lässt. Bei Praktiken des feindlichen Sexismus liegt die abwertende Meinung über Frauen meist auf der Hand und wird auch vom Großteil der Menschen schnell als Sexismus entlarvt.

Viel unbemerkter kommt der „ritterliche“ Sexismus daher, der die Frau als schützenswertes, schwaches Wesen betrachtet, das vom Mann umsorgt und wertgeschätzt werden sollte. Was viele Menschen hierbei nicht bemerken: die Frau wird idealisiert, allerdings auch nur, solange sie in normativen Rollenmustern verhaftet bleibt. In diesem Fall haben beide Geschlechter Vorteile von der Situation, solange die Frau bloß nicht auf die Idee kommt, aus diesem Konzept auszubrechen und „mehr“ zu wollen. Dieser wohlwollende Sexismus trägt genauso zur Erhaltung von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern bei wie der feindliche Sexismus; gerade eben, weil er sich durch die „nur lieb-gemeinte“ Hintertür schleicht und vielen als „natürliche“ Verhaltensweisen von Mann und Frau erscheinen.

Häufig wird bei sexistischen Praktiken auch die Ausrede hervorgebracht: „Es war ja gar nicht so gemeint“. Aber Sexismus wird eben nicht durch die Intention bestimmt, sondern durch das Resultat. So sind Ignoranz und Unverständnis sehr viel häufiger die Ursache für Sexismus als Böswilligkeit. Männer haben unmissverständlich durch eine andere Sozialisation einen anderen Erfahrungshorizont als Frauen und wurden in ihrem Leben nicht in gleichem Maße Opfer von Sexismus. Das kann frau auch verstehen, allerdings wäre eine angemessene Reaktion des Mannes, sich die Kritik zu Herzen zu nehmen, statt das Thema Sexismus gleich wegzuschieben, klein zu reden, als Überreaktion zu deklarieren und den Vorwurf persönlich zu nehmen.