Heute Abend wird eine Ausstellung der besonderen Art eröffnet: Die Chicks on Comics zeigen in der alpha nova-kulturwerkstatt & galerie futura in Berlin Fragmente ihrer langjährigen Arbeit als weibliche Comiczeichnerinnen.

Chicks on Comics

Allesamt Bloggerinnen der alten Schule, geben die Chicks on Comics mit der Ausstellung in einer Galerie ihrer Arbeit eine neue Richtung und erweitern damit ihren künstlerischen Spielraum. Was die Ladys bei ihrem Schaffen antreibt, welche Themen ihre Comics behandeln und welche Ziele die Chicks on Comics dabei verfolgen, hätten wir nicht besser ausdrücken können, als die VeranstalterInnen selbst:

 

Die Sucht nach Comics brachte die neun Comic-Künstlerinnen, die unter dem Namen /Chicks on Comics/ ihr transatlantisches Kollektiv-Blog betreiben, 2008 zusammen. Und der Wunsch, „to gang up“ mit anderen Frauen. Frauen, die eben jene Sucht nach Comics teilen. Längst sind Frauen aus der Comicszene nicht mehr wegzudenken. Gerade in der jungen Generation sind Frauen sehr präsent. Das Klischee und die Atmosphäre einer männlichen Domäne hält sich allerdings hartnäckig. Da erweist sich ein Comic-Kollektiv, das allein aus Frauen besteht, durchaus als etwas besonderes.

Aber es ist ja nicht nur die Tatsache, dass diese Künstlerinnen zusammenarbeiten, sondern vor allem auch, wie sie zusammen arbeiten. Es ist die Form der Kollaboration, die interessiert. /Chicks on Comics/ ist ein Kollektiv-Blog. Jede Woche bloggt eine der Künstlerinnen einen Comic, auf den eine andere Künstlerin in der nächsten Woche mit einem neuen Comic reagiert. So entsteht im kollektiven Prozess ein Stream an Erzählungen von Alltäglichem, Philosophischem, Erlebten und Reflektiertem. Dieser Erzählfluss ist geprägt durch eine ahierarchische Struktur und das kontinuierliche Aufeinander-Eingehen der Autorinnen. So ist das Blog /Chicks on Comics/ mehr als aber auch ein Tagebuch. Es entsteht ein Dialog durch die Zusammenführung unterschiedlicher Perspektiven, die zu einem neuen roten Faden gesponnen werden. Dieser Arbeitsprozess lässt zwar die einzelne Autorin mit ihrer individuellen Handschrift in Erscheinung treten, in der Gesamtheit jedoch entsteht eine Art Kollektiv-Autorin. Und diese Kollektiv-Autorin setzt den immer noch stark männlich repräsentierten Comicszenen ein klares Statement entgegen: andere Formen der Öffentlichkeit. Dabei geht es um Empowerment, darum, Frauen in der Comicszene miteinander zu vernetzen und als Vorbilder besonders junge Comic-Künstlerinnen zu ermutigen, sich ihre Räume selbst zu schaffen und zu gestalten. Und was bietet sich dazu besser an als das Medium des Blogs? Seit einigen Jahren sind Frauen als Bloggerinnen im Vormarsch. Ob einzeln oder kollektiv erobern sie sich das Medium als eine Form der Öffentlichkeit, die auf einem dialogischen Prinzip basiert. Dass es dabei sehr kreative Möglichkeiten des Umgangs gibt, die insbesondere kollaborative Arbeitszusammenhänge begünstigen, dafür sind /Chicks on Comics/ das beste Beispiel.

Comic von Carochinaski

In der Form ihres kreativen Austauschs und kollektiven Gestaltens findet sich nicht nur ein basisdemokratischer Ansatz, sondern auch ein feministischer Grundgedanke. Nicht jede Künstlerin der /Chicks on Comics/ identifiziert sich allerdings mit diesem Label. Die Frauen kommen aus unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, was ihre Haltung und Definition von Feminismus mit beeinflusst. Der durch diese divergierenden Positionen bedingte spannende Reibungspunkt wird zu einem zentralen Diskussionsthema beim Künstlerinnengespräch, das im Rahmen der /Chicks on Comics /Ausstellung in der /alpha nova-kulturwerkstatt & galerie futura/ stattfindet.

Und welche Themen verhandeln die Künstlerinnen in ihren Comic-Posts? Es sind vor allem die ganz alltäglichen Geschichten und Erfahrungen, aber auch Utopien, Phantasien und Wünsche der Zeichnerinnen, die hier ihren Ausdruck finden und die zu einem Identifikationsraum werden, auch für die Leserinnen. Da geht es um die entgrenzte Arbeits- und prekäre Lebenssituation als Comiczeichnerin, um Geschlechterrollen in der Familie, um homosexuelle Erfahrungen oder um die Bedeutung von „Freiheit“ für die Einzelne. Und es kommen dann auch Themen vor, die man im sonst männlich besetzten Comicfeld vergeblich sucht — Regelschmerzen etwa.

Comic von Sole Otero

In ihrer Ausstellung in der /alpha nova-kulturwerkstatt & galerie futura/ verlassen die /Chicks on Comics /den digitalen Raum und begeben sich in den Kunstraum. Hier lernen sie sich das erste Mal in fünf Jahren live kennen. Anlass genug, in einem Künstlerinnengespräch die unterschiedlichen Perspektiven der Frauen auf ihre kollaborative Zusammenarbeit als feministische Praxis und auf ihre Erfahrungen als Künstlerinnen in den unterschiedlichen Comicszenen Europas und Südamerikas zusammen zu diskutieren.

In der 6-wöchigen Ausstellung kehren die Comiczeichnerinnen dem von ihnen sonst praktizierten autobiographischen Dialog den Rücken und betreten Neuland. Sie kündigen an, dass sie, „die immer alles in der Öffentlichkeit bequatschen, diesmal ,Stille Post‘ spielen und die, die am liebsten ihre autobiographischen Notizen von sich geben, sich nun an Genre-Comics wagen. Es gibt neue Fanzines und Gastbeiträge von /guest chicks/ und/cocks/ aus Argentinien, Chile, Uruguay, Peru, Brasilien, Mexiko, USA, Großbritannien und Deutschland!“ (/Chicks on Comics/ 2013) Superheld_innengeschichten, Krimi oder Politdrama: Das dürfte spannend werden! Auch, weil sich unter den über 20 Gastbeitragenden erstmalig einige Männer tummeln, die auf das von den /Chicks/ vorgegebene Thema „Frühling und Feminismus“ zeichnerisch reagieren. Ob da wieder alte Klischees bedient werden oder wir die mittlerweile gesellschaftlich abhaken können dürfte spätestens am 14. März zur Eröffnung gelüftet werden.

Wann & Wo?

14.03. – Vernissage, 20 Uhr, alpha nova-kulturwerkstatt & galerie futura
16.03. – Artist Talk, 14 Uhr, alpha nova-kulturwerkstatt & galerie futura

Die Ausstellung läuft von 15. März bis 26. April 2013, jeweils von Mittwoch bis Samstag und von 16 bis 19 Uhr.