Statement der Aktivistin, Autorin, Herausgeberin der englischsprachigen Buchreihe „Witnessed“ zu fünf Jahren Queer-Feminismus

Foto: Katharina Trautschold

Die Themen, die mich bewegen, seit ich klein bin – Rassismus und Sexismus – sind aus meiner Perspektive in den letzten fünf Jahren viel sichtbarer im deutschen Mainstream geworden. Meiner Meinung nach hängt das viel mit Social Media zusammen. Menschen, die zu den herkömmlichen Medien weniger Zugang haben, nutzen das Internet, um ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. Und wie wir sehen, gewinnen Twitter, Facebook und Co immer mehr an Einfluss.

Anfang 2012 wurde zum Beispiel im Mainstream die Blackface-Debatte angestoßen wegen einer Aufführung im Schlosspark Theater in Berlin. Ich kenne sogar die Frau, die den ersten Post auf der Facebook-Seite des Theaters geschrieben hat. So ging das los. Ich glaube fast, das könnte heute so nicht mehr passieren, weil sich bei Facebook manche Einstellungen geändert haben und man nicht einfach mehr so sichtbar auf den Facebook-Seiten von anderen drauf los schreiben kann. Zu der Zeit haben wir genau das aber einfach gemacht. Die Leute vom Theater waren damit überfordert, weil die Kommentare sehr schnell sehr viel Publikum bekommen haben – auch international.

Mit der Blackface-Debatte haben wir einen Nerv getroffen. Vorher konnten weiße Leute weghören, wenn es um Polizeigewalt oder Racial Profiling ging, weil es sie nicht unmittelbar betrifft. Plötzlich ging es aber um Kinderbücher, Karneval und die heiligen drei Könige! Plötzlich ging es um Jim Knopf. Die Leute waren verwirrt: Wie, das ist Blackface? Und weil weiße Menschen sich angegriffen gefühlt haben – auch die, die führende Rollen in den Medien haben – haben sie emotional reagiert, aus ihrer Perspektive ‚zurückgeschlagen‘ vielleicht. Und dadurch konnte eine Art Diskussion überhaupt erst entstehen.

Es war nicht so, dass ‚Blackface‘ als Thema wichtiger für Schwarze Communities war als zum Beispiel der Tod von Mareame Ndeye Sarr, Christy Schwundeck oder Oury Jalloh. Es wurde und wird immer noch mindestens genauso viel protestiert – der Unterschied hier war die persönliche Betroffenheit des weißen Mainstream. Social Media spielte eine wesentliche Rolle – sie hat Debatten für den Mainstream sichtbar gemacht, die in Schwarzen Communities seit Jahrzehnten geführt werden.

Bei der Debatte um Alltagssexismus dieses Jahr war da ein ähnliche Dynamik. Plötzlich wurden im deutschen Mainstream diese sexistische Mikro-Aggressionen sichtbar – warum? Nicht weil Frauen zum ersten Mal darüber reden oder schreiben. Das passierte meiner Meinung nach, weil die Twitter-Kampagne #Aufschrei auch Basis demokratisch geführt wurde.

Wir müssen damit auch weiter machen. Ich habe mich in der Blackface-Debatte und auch bei #Schauhin (die Twitter-Kampagne, die angelegt an #Aufschei, die Erfahrungen von Alltagsrassismen unter einem Hashtag bündelt) sehr darüber gefreut, dass auch viele weiße Leute sich daran beteiligt haben, die sich schon mit dem Thema beschäftigt hatten. Das hat zum Beispiel bei Bühnenwatch gut funkioniert: Schwarze Menschen, People of Color und weiße Menschen haben gemeinsam eine Linie gegen rassistische Praktiken am Theater gezogen.

Ich finde es gut, wenn weiße Menschen sich mit ihrer Position auseinander setzen und ihre Privilegierungen mit anderen teilen. Als ich etwa in diese taz.lab-Diskussion verstrickt war, habe ich mich sehr über die Erwähnung dessen im Editorial der Missy gefreut und auch darüber, dass ich überhaupt das Angebot bekommen habe, für Missy zu schreiben. Das sind handfeste Dinge um die eigene Privilegien für gute Zwecke einzusetzen. Wir alle haben bestimmte Mittel und wir müssen uns fragen, wie und wo wir sie sinnvoll andere zur Gute kommen lassen können.

Ich wünsche mir von Leuten, die Privilegien haben, wie auch immer die aussehen, diese auch zu teilen. Ich bin etwa als Erwachsene eine privilegierte Person, meine Stimme zählt automatisch mehr als die von Kindern. Deshalb fühle ich mich verpflichtet, mit meiner Stimme auch lautstark für die Rechte Schwarzer und of color Kinder einzutreten, etwa in der Kinderbuchdebatte. Als Hetera bin ich auch privilegiert. Ich bin auf eine Art sehr frei und das muss ich nutzen, um anderen, die diese Privilegien nicht haben, zu unterstützen. Und ich wünsche mir, dass wir alle reflektieren, zuhören, lernen und letztendlich handeln – und nicht einfach sagen: Ich kann doch nichts dafür. Protokoll: Katrin Gottschalk

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