Von Carola Ebeling

Sie hinterfragen die so positiv besetzte Beziehung zwischen Mutter und Neugeborenem. Was hat Sie dazu inspiriert?
Ich habe in Los Angeles eine Freundin besucht, die gerade ein Baby bekommen hatte. Das Gefühl, dieses Kind im Arm zu halten, war sehr schön und gleichzeitig erschreckend. Ich dachte: Was, wenn du als Mutter in diesem Moment erkennst, dass es ein Fehler war? Ich selber habe aus verschiedenen Gründen keine Kinder, einer ist diese existenzielle Furcht: Wie kannst du Leben schenken, wenn du dir nicht sicher bist, dass das Leben schön ist? Wie kannst du sicher sein, dass du ein Leben lang diese Verantwortung tragen kannst?

Foto: Rotpunktverlag

In Ihrem Buch geht es auch um die gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter…
Alissa, die Protagonistin, erkennt plötzlich, was es bedeutet, ein Baby zu haben. Es ist kein Spielzeug, es ist ein kleiner Mensch. Und sie kann sich der Erkenntnis, dass sie allein dafür verantwortlich ist, nicht entziehen. Das ist ein existenzieller Schock – wie mir viele Frauen bestätigt haben. Als meine Schwester das Buch gelesen hatte, fragte sie mich: „Wie kannst du das alles wissen?“ Nach der Geburt ihres Sohnes hatte sie ihre Ängste nie gezeigt. Bei welcher Gelegenheit hätte sie das auch tun sollen? Wenn du eine frisch gebackene Mutter besuchst, fragst du nicht: Wie schlimm ist es?

showcover_kramerPascale Kramer
„Die unerbittliche Brutalität des Erwachens“
Aus dem Französischen von Andrea Spingler
Rotpunktverlag, 173 S., 19,90 Euro.

Alissa ist 27 und fühlt sich um das ihr zustehende Leben betrogen. Warum bleibt sie dennoch so passiv?
Alissa stammt zweifelsohne aus der Generation „enfant roi“, sie wurde immer wie eine kleine Königin behandelt. Im Fernsehen, im Radio, in Zeitschriften, überall lautet die Botschaft, dass alle sich paaren müssen, und wenn du den „Richtigen“ gefunden hast, ist es für immer. Er wird dich beschützen, und du wirst eine gute Frau und Mutter sein, und das ist das Glück. Auch Alissa hat all das geglaubt, dachte sogar, sie sei eine ganz besondere Prinzessin, da sie den charmantesten Prinzen gefunden hatte. Aber das Glück war trotzdem nicht da.

Für die meisten Menschen ist Liebe heute gleichbedeutend mit ausschließlich positiven Gefühlen…
Ich will natürlich keine Moral predigen, aber mein Buch handelt auch davon, was Leben, Liebe und ein Kind zu haben wirklich bedeutet. Man sagt mir oft, meine Bücher seien so düster, ich würde Illusionen zerstören. Ich finde, Illusionen sind Zeitverschwendung. Und das Leben ist nicht so schlimm, als dass wir mit der Realität nicht leben könnten.

Anmerkung der Redaktion: In der Druckversion des Missy Magazine 04/2013 war bei diesem Artikel fälschlicherweise Sonja Eismann als Autorin angeben. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.