Die Münchner Frauenfilmreihe Bimovie zeigt noch bis Samstag im kuschligen Maxim Kino Filme von und über Frauen, die auf gesellschaftliche Widerstände pfeifen.
Von Ana Maria Michel

Foto: Bimovie Festival

Als Ranas kleiner Sohn mit dem Kopftuch und der Handtasche seiner Mutter die Treppe herunter kommt, bricht im Zuschauerraum des Münchner Maxim Kinos Gelächter aus. Für die schockierte Rana ist der Aufzug ihres Kindes jedoch kein Grund zum Lachen. Entsetzt schimpft sie den Kleinen aus und droht, der Vater werde nie wieder ein Wort mit ihm reden, wenn er das erfahre. Das Lachen des Publikums verstummt schlagartig. Mit Geschlechterrollen zu spielen ist etwas, das sich im Iran nicht einmal ein Kind trauen darf. Der Film „Facing Mirrors“ (2011) ist einer von vielen bewegenden Filmen, die im Rahmen des neuntägigen Münchner Frauenfilmfestes Bimovie zu sehen sind.

Das Werk der iranischen Regisseurin Negar Azarbayjani erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen der strenggläubigen Muslimin Rana und Adineh. Letzterer möchte Eddi genannt werden und muss aus dem Iran fliehen, weil er transgender ist. Eddi verbirgt unter Kopftuch und Mütze seine raspelkurzen Haare und irritiert damit, dass er die Herrentoilette benutzt oder sich im Gesicht rasiert. Schon Ranas Kind kommt ganz durcheinander, weil es nicht weiß, ob es Eddi eher Onkel oder doch Tante nennen soll. Rana selbst ist zunächst schockiert und reagiert panisch. Dass Eddi keine Frau sein will, ist für sie Sünde. Doch mit der Zeit entwickelt Rana trotz aller Gegensätze das, was Eddis Vater, der seine ungehorsame Tochter mit ihrem Cousin zwangsverheiraten will, nicht aufbringen kann: Verständnis. Obwohl Rana, die als Taxifahrerin arbeitet, Eddi zunächst nur aus geschäftlichen Gründen bei seiner Flucht hilft, setzt sie sich später aus Freundschaft für ihn ein, um seine Ausreise und somit seine Geschlechtsangleichung zu ermöglichen.

Das Filmfestival Bimovie wird in diesem Jahr bereits zum 19. Mal von den Geierwallis, einem freien Zusammenschluss filmbegeisterter Frauen, organisiert. Die Filme nehmen jenseits des eigenen Tellerrands die Situation von Frauen, Lesben und Transgender in Gesellschaften in den Blick, die von strengen konservativen Geschlechternormen bestimmt werden und in denen es keinen Platz für Lebensformen abseits der etablierten Rollenvorstellungen zu geben scheint. Zwar ist auch im Iran eine operative Geschlechtsangleichung per Gesetz möglich, doch ist das Leben danach für die Betroffenen oft die Hölle.

„Gott hat Adam und Eva erschaffen und nicht Adam und Steven“, sagt ein wütender Mann in die Kamera. „Difficult Love“ heißt der Dokumentarfilm der südafrikanischen Künstlerin Zanele Muholi, der die Probleme von schwarzen Lesben in Südafrika beleuchtet. Ihnen verschafft Muholi, die 2012 mit ihren Arbeiten auf der Documenta in Kassel vertreten war, auch mit ihren intimen Portraitfotografien Sichtbarkeit. In ihrem dichten Film lässt sie ihre Freundinnen aus der südafrikanischen Queer-Community zur Sprache kommen, die den Kampf gegen die gesellschaftlichen Widerstände trotz Ablehnung, Gewalterfahrungen oder Armut nicht aufgeben. Da ist zum Beispiel das lesbische Paar, das Muholi unter der Brücke besucht, wo es mit den Ratten zusammenlebt, weil man es aus dem Obdachlosenheim vertrieben hat.

Die Frauenfilmreihe Bimovie zeigt sehenswerte Filme, die nachdenklich und manchmal auch traurig machen. So auch der Dokumentarfilm „Salma“ (2013) von Kim Longinotto, der die Geschichte der gleichnamigen indischen Dichterin und Aktivistin erzählt. Wie alle Mädchen in ihrer muslimischen Dorfgemeinschaft wurde Salma nach dem Einsetzen ihrer Periode von ihrer Familie eingesperrt. Mit 14 Jahren durfte sie die Schule nicht mehr besuchen und musste sich mit ihrer Schwester um dem Platz am vergitterten Fenster streiten, das in ihrem Kellerzimmer die einzige Möglichkeit war, um etwas von draußen mitzubekommen.

Salma weigerte sich, den Mann zu heiraten, den ihre Familie für sie ausgewählt hatte. Schließlich wurde sie durch einen Trick zur Heirat gezwungen – und im Haus des Ehemanns erneut 16 Jahre lang eingesperrt. Salma will Gedichte schreiben, doch ihr Mann lässt das nicht zu und zerreißt ihre Notizbücher. So muss sie sich auf der Toilette verstecken, um ihre Zeilen zu Papier zu bringen. Durch die Hilfe ihrer Mutter gelingt es Salma, die Gedichte nach draußen zu schmuggeln und zu publizieren. Auch die Dichterin selbst schafft durch ihre Bekanntheit schließlich den Weg nach draußen. Sie wird Politikerin und verlässt das Dorf, um mit ihrer Schwester in einer größeren Stadt zu leben. Die beiden Frauen haben den Weg nach draußen geschafft. Vor diesem Hintergrund erscheint es mehr als grotesk, dass Salmas erwachsener Neffe, der absolut nicht versteht, wieso seine Tante keine Burka trägt, seiner eigenen Mutter verbieten will, ins Kino zu gehen.

Um starke Frauen geht es auch in Antoinette Beumers Film „Jackie – wer braucht schon eine Mutter“ (2012). Die Zwillingsschwestern Sofie und Daan, die mit zwei schwulen Vätern aufgewachsen sind, reisen in die USA. Dort sollen sie ihre Mutter Jackie, die sie noch nie zuvor gesehen haben, mit einem Gipsbein aus dem Krankenhaus abholen, um sie in eine Reha-Klinik zu bringen. Doch in diesem turbulenten Roadmovie kommt alles anders als geplant: Beim ersten Zusammentreffen zwischen der Mutter und den Töchtern kommt keine rührselige Freude auf. Die „Gebär-Mutter“ erweist sich als äußerst schweigsam und kauzig. Mit dem ranzigen Wohnwagen, in dem Jackie haust, treten die drei schließlich die Reise durch New Mexico an.

Daan hat sich ihre Mutter immer als eine Art weiblichen Indiana Jones vorgestellt. Jackie erfüllt diese Vorstellung ziemlich gut, als sie in der Wüste kurzerhand die Schlange, die ihre Tochter Sofie gerade gebissen hat, tötet und häutet, um sie später über dem Lagerfeuer zu braten. Die Schwestern profitieren von dem Zusammensein mit Jackie, die während der Reise langsam auftaut und etwas gesprächiger wird. Sofie und Daan kehren nach diesem Abenteuer mutiger und selbstbewusster zurück.

Mit seinen überraschenden Wendungen hat dieser unterhaltsame Film das Publikum im rappelvollen Maxim Kino schon am ersten Bimovie-Wochenende zum Lachen gebracht. An diesem Samstag wird er zum Abschluss des Festivals ein weiteres Mal gezeigt.

Das Frauenfilmfest Bimovie läuft noch bis zum 16. November im Münchner Maxim Kino in der Landshuter Allee 33. Das vollständige Programm ist unter www.bimovie.de zu finden.