Heute eröffnet „Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste“ das Filmfestival achtung berlin. Darin erzählt Isabell Šuba ihre eigene Geschichte auf dem Filmfestival Cannes 2012, bei dem nicht ein Film von einer Frau für die Hauptkategorien nominiert war.

Filmstill: Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste

Jetzt müsste alles sitzen. Die roten Pumps sind wackelig, die Sonne blendet, gespiegelt vom Meer und dem Weiß der Yachten, es sind diese fünf Minuten, die zählen: Isabell erzählt von ihrer neuen Filmidee. David ergänzt. Barbara Häbe, ARTE-Redakteurin, schaut sich um: Bitte etwas auf den Punkt kommen. Was? Nein, völlig uninteressant. „Aber ich werd’s lesen, Isabell, versprochen“. Alles ist aus, die fünf Minuten verpufft, die ARTE-Yacht nur noch eine unter den vielen anderen am Steg der Côte d’Azur in Cannes.

Regisseurin Isabell Šuba und Produzent David Wendlandt sind beim Versuch, ihr neues Projekt unterzubringen, gescheitert. Aber nicht in Wirklichkeit. Die Situation auf der ARTE-Yacht ist eine Szene aus Isabell Šubas Film „Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste“. Eine Mockumentary, die sie auf den Filmfestspielen in Cannes im Jahr 2012 gedreht hat. Für dieses Projekt hat sie ihre eigene Identität während der Filmfestspiele an die Schauspielerin Anne Haug abgegeben: eine junge, homosexuelle Regisseurin, die versucht in Cannes Fuß zu fassen. Es ist ein Experiment mit der Wirklichkeit.

Die eigene Unsicherheit

Šuba ist Regie-Absolventin der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolff“ in Potsdam. Dass die Schule einen ihrer Kurzfilme in Cannes eingereicht hat, wusste sie nicht. Als sie eines Nachts, von einer Reise heimgekehrt, in ihrer Kreuzberger Wohngemeinschaft saß und ihre Berge von ungelesenen Mails checkte, hieß es in einer: „Herzlichen Glückwunsch! Sie laufen in Cannes!“ In der Kurzfilmrolle deutscher Nachwuchsregisseure.

Der Kampf um einen Platz im Filmbusiness ist ein harter. Ein etwas geschärfter Blick zeigt, dass es ein ungleich harter ist, dass Frauen härter darum kämpfen müssen als Männer. 2012 war im Wettbewerb in Cannes von 22 Filmen keiner von einer Frau. Nur ein Mal ging der Oscar für die beste Regie an eine Regisseurin, 2010 an Kathryn Bigelow. Den Goldenen Bären erhielten in 65 Jahren nur vier Frauen, eine mehr bekam den Deutschen Filmpreis für die beste Regie. Zu beachten ist, dass die Absolventen der größten deutschen Filmhochschulen zur Hälfte weiblich sind. Nicht erst seit gestern.

Šubas Euphorie über die Nachricht aus Cannes flaute nach der ersten Nacht ab. Sie wollte nicht zum Festival fahren, das Aufglimmen am Karrierehimmel mit dem eigenen Film für einen Augenblick genießen und ansonsten Nacht für Nacht im Partysumpf Cannes‘ versinken, wie so viele junge Leute.

Eigentlich war die Idee absurd, Geld hatte sie nicht, und bis Cannes waren nur noch zwei Monate Zeit. Und doch beschloss sie „bei einer Zigarette“ mit Schauspiel- und Produzentenfreund Matthias Weidenhöfer, dass sie das Projekt gemeinsam stemmen würden. Flug, Unterkunft und Essen zahlten sie aus eigener Tasche. Gage erhielt keiner. Šuba macht ihre eigene Unsicherheit zum Thema ihres nächsten Films. Unsicherheit über das Ankommen im Megabusiness Film, Unsicherheit über ihre Rolle als Frau.

Filmstill: Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste

Matthias Weidenhöfer wird im Film zu David Wendlandt, Isabells Produzent und Gegenspieler. Zwischen den beiden kracht es mächtig. David, der Chauvi, der Unzuverlässige, der, der alles versachlicht, aber auch David, der genauso seine Träume hat, wie Isabell, der sie verwirklichen möchte und mit dem System des Filmgeschäfts darum ringen muss.

Filmen ist Macht

Jutta Brückner schreibt seit den 70ern Drehbücher und verfilmt diese selbst. Dass die Filmindustrie derartig männlich bestimmt ist, hat für sie vor allem einen Grund: Filmemachen heißt Macht haben, Macht über das Unbewusste. Über Emotionen. Sie sagt: „Wer den Schlüssel zum Unbewussten hat, der ist fast unbesiegbar“. Und den wöllten Männer nicht einfach an die Frauen abgeben. Längst achten die großen Filmfestivals darauf, dass die Jurys von beiden Geschlechtern besetzt sind. Dennoch haben die meisten Schauspielerinnen und Produzentinnen ein genauso standarisiertes Bild im Kopf wie Männer, meint Brückner, denn sie machen Mainstreamfilme oder spielen in ihnen mit. „Die Sicht von Männern umgibt uns. Sie wird als die allgemeine ausgegeben“, sagt sie.

Der gigantische Kinosaal mit mehreren Rängen füllt sich nach und nach. In Cannes ist Premiere für den Film „Holy Motors“. Die gespielte Isabell sitzt in ihrem Sessel, wie in einem Flugzeugsitz beim Abflug. Sie starrt auf eine riesige Leinwand, auf der Kylie Minogue strahlt, sich dreht und von einem Heer von Kameras verfolgt ebenfalls den Saal betritt. Pfeifen, johlen, klatschen. Kylie funkelt in ihrem goldenen Kleid. „Isabell ist in dem Film richtig unter Druck“, sagt Isabell Šuba, in eine Decke gehüllt in ihrer Küche in Kreuzberg, die sie vor Monaten anfing zu renovieren und dann nicht weiter machte. Keine Zeit. „Auf der Premiere wird sie mit einem Frauenbild konfrontiert, dem sie überhaupt nicht entspricht“.

Frauen würden andere Filme machen, als Männer. Es seien andere Themen und wenn es ähnliche Themen sind, dann sei es der Blickwinkel, der anders ist, meint Jutta Brückner: „Welche Art von Geschichte erzählen sie? Was erzählen sie über Frauen, über ihre Schwierigkeiten, über andere Formen von Glück?“

Kollision mit der Realität

Isabell knibbelt mit gesenktem Kopf am Verschluss einer Sektflasche. Ihr Kurzfilm wurde gezeigt, sie waren auf Premieren, ihre Filmidee ist nicht angekommen. Sie und David geraten aneinander, schmettern sich die Schuld für ihr Scheitern wie einen Ball hin und her. Isabell schreit: „Was ist eigentlich dein Problem?“, David schreit nicht mehr, er murmelt: „Ich weiß es nicht“. Und dann schauen beide lange von ihrem Balkon auf das nächtlich verdunkelte Mittelmeer. „Es gibt für Filmemacher einen Punkt, an dem ihre ganzen Träume, ihre ganze Leidenschaft mit der Realität kollidieren, und das ist für alle Filmemacher Panik“, sagt Isabell Šuba.

Frauen machen Filme. Männer auch und sie gewinnen damit Preise. Erfolg spiegelt gesellschaftliche Akzeptanz und doch sollte es etwas anderes sein, dass zum künstlerischen Schaffen bewegt, findet Jutta Brückner: So nah wie möglich an das herankommen, was man selber als Wahrheit empfindet.

[vsw id=“imqbq-pTL84″ source=“youtube“ width=“425″ height=“344″ autoplay=“no“]

„Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste“: Am 9. April um 20 Uhr im Kino International, am 14. April, 20 Uhr im Babylon und am 15. April 18 Uhr im Tilsiter.
Mehr Filme beim 10. „achtung berlin – new berlin film award“ gibt es vom 9. – 16. April 2014.