Welche Rolle spielen Aussehen und Kleidung in der Modebranche wirklich – und sind sie tatsächlich Garanten für Erfolg? Natalia verrät im Gespräch einige ihrer Erfahrungen als Mitarbeiterin einer Fashion-Online-Plattform.
Von Anna-Lena Kuschewski
Die Modebranche ist vielfältig. Vom klassischen stationären Verkauf über Modemagazine bis hin zu diversen Online-Plattformen kennt die Mode kaum noch Grenzen. Wie ist es jedoch, sich tagtäglich mit dieser Vielfalt auseinander zu setzen, Kontakte zu pflegen, innerhalb der Modebranche zu arbeiten? Dreht sich hier tatsächlich alles um Äußerlichkeiten? Diese Fragen gaben Anlass zu einem Gespräch mit jemandem, die sich in der Modewelt auskennt.

Natalia ist studierte Soziologin, die trotz ihres jungen Alters bereits seit einigen Jahren in der Modebranche tätig ist. Ihre Arbeit im Modesektor begann sie schon sehr früh im Verkauf bei allseits bekannten Modeketten, worauf dann Anstellungen in der Modeberatung bei hochpreisigen Modehäusern folgten. Nach diversen Praktika in den verschiedensten Städten Deutschlands und der Schweiz engagiert sie sich momentan für ein junges Mode- Start-Up aus München. „Der ständige Wandel macht die Modebranche für mich so spannend“, verrät sie begeistert. Dabei bezieht sie sich nicht nur auf die saisonalen Modetrends, sondern vor allem auf immer neue Menschen, Ideen, Events und Anforderungen, die sich stellen. KundInnenbetreuung, SponsorInnensuche, aber auch die Organisation von Events sind unter anderem Teil von Natalias Aufgaben als Mitarbeiterin einer Fashion-Online- Plattform. Aber trotz allem reicht es nicht, all diese Aufgaben mit großer Sorgfalt zu bearbeiten, „denn auf ein gepflegtes Äußeres und einen guten Kleidungsstil wird ebenfalls sehr Wert gelegt“. Dabei zeuge das Tragen von teuren Designerstücken aber noch lange nicht von einem guten Kleidungsstil. Durch wildes Kombinieren von coolen Teilen könne übrigens ebenso wenig ein guter Stil entstehen, betont Natalia. „Kleidungsstil hat einfach sehr viel mit Persönlichkeit zu tun“. Aber dennoch: „Der erste Eindruck zählt. Das gilt ganz besonders in der Modebranche“.

Gewiss ist die Thematik von Schönheit, Attraktivität und einem ansehnlichen Kleidungsstil auf den Straßen der Städte präsent – auch bei Menschen, die nicht in der Modebranche arbeiten. „Mag sein, dass sich die ganze Schönheitsdebatte aus der Mode heraus entwickelt hat, aber Schönheit ist definitiv auch zur gesellschaftlichen Angelegenheit geworden“. Dass dies jedoch Spuren bei jedem und jeder Einzelnen hinterlässt, ist fast schon zu vermuten. Männer und Frauen, die für ihre neue Arbeitsstelle diverse Diäten ausprobieren und zudem viel Geld dafür ausgeben, ihre Garderobe zu ändern, seien in der Modewelt definitiv keine Seltenheit, bestätigt Natalia. Sie ist überzeugt davon, dass es zunehmend schwieriger wird, das Schönheitsideal zu erreichen. Warum? „Es ist ja mittlerweile nicht mehr so, dass Mann oder Frau aufgrund einer äußeren Gegebenheit, wie zum Beispiel einem hübschen Gesicht oder muskulösen Oberarmen, als schön betrachtet wird. Als schön gilt in zunehmendem Maße nur noch derjenige, der von oben bis unten makellos perfekt ist! Genau das suggerieren doch sämtliche Mode-, Fitness- und Schönheitsmagazine“. Das setze Menschen unter Druck. Und auch Natalia weiß: „Wenn du umgeben bist von lauter stylischen und schönen Menschen, möchtest du dich natürlich auch von deiner besten Seite zeigen. Dass das auf Dauer anstrengend wird, ist zweifellos!“

Zudem solle man wissen, dass auch die Modebranche nicht nur aus schönen Menschen bestehe. Nicht jeder habe eine perfekte Figur, das perfekte Gesicht oder das perfekte Maß. Auch in Sachen Kleidungsstil wäre immer mal wieder ein Fauxpas zu sehen. Dies treffe durchaus auch auf Models zu. „Auf den Events, die wir als Start-Up regelmäßig besuchen, treffen wir immer wieder professionelle Laufsteg-Models, die bei ihrer Anreise – wenn sie also noch nicht von Stylisten angekleidet wurden – unmögliche Sachen tragen! Da stimmt einfach gar nichts, weder die Größe, die farbliche Kombi noch das Outfit an sich. Einige Models interessieren sich noch nicht mal für Mode! Für sie ist das oftmals einfach nur ein Job“.

Für den Erfolg in der Modebranche generell – vor allem aber auch im Sektor der Mode-Online-Plattformen – sei ein spezieller Faktor entscheidend, verrät mir Natalia. Dieser werde in der Branche als Networking bezeichnet und meine damit wortwörtlich vernetztes Arbeiten, Beziehungspflege und die Nutzung von Geschäftskontakten. Sie erklärt mir: „Heute läuft alles nur noch über Beziehungen, Jobs werden unter der Hand vergeben, Kooperationen, Verträge und Deals werden aufgrund von bestehenden Kontakten geschlossen und beschlossen. Je mehr Kontakte du hast, desto besser“. Viele gut gepflegte Kontakte seien gewissermaßen der Schlüssel für eine erfolgreiche Karriere in der Modebranche. Doch ist Vitamin B tatsächlich der einzige Erfolgsgarant?

Natalia ist sich sicher, dass Beziehungen der Weg zum Erfolg sind. Aber natürlich braucht es noch ein bisschen mehr: Freude an der Arbeit, Engagement und auch ein bisschen Talent. „Wenn du zudem kein kommunikativer Mensch bist, hast du schon verloren. Wie will man denn ohne Smalltalk seine Kontakte pflegen?“, sie lacht. „All diese Dinge wie Mittagessen, abends mal einen Cocktail trinken oder gemeinsam auf Parties gehen werden dazu genutzt, die Beziehungen zu schon bestehenden oder möglichen neuen Kontakten zu intensivieren. Das gehört einfach dazu. Wer das nicht möchte, ist fehl am Platz“. Und wie steht es mit dem Optischen? „Natürlich wird das Aussehen auch seinen Teil zum Erfolg beisteuern, das ist ganz klar. Aber ich denke, man sollte Schönheit nicht mit Ausstrahlung verwechseln! Für mich entspricht das eine nicht dem anderen“. Für Natalia muss eine Person nicht unbedingt in stereotyper Weise schön sein, um Ausstrahlung zu haben. Sie verbindet Ausstrahlung mit dem gewissen Etwas, das einen Menschen interessant – und vor allem sympathisch – macht. „Ich finde, Schönheit wird überschätzt. Was bringt es dir, schön zu sein, wenn du kein Charisma hast? Ausstrahlung und ehrliche Individualität sind sicher hilfreicher als Schönheit. Jemanden zu kopieren ist übrigens ebenso sinnlos“.

Nach all den Ausführungen und Erzählungen von Natalia überlege ich mir, ob nicht manchmal zu vorschnell über die Modewelt geurteilt wird. Obwohl das Aussehen und Oberflächlichkeiten einen großen Anteil im Alltag der Modewelt ausmachen, ist die Modebranche vielleicht trotz allem vielmehr ein Geschäft der Beziehungen als ein eines der Äusserlichkeiten. Natalias Tipp für all jene, die ihr Glück in der Modebranche versuchen wollen:

„Sprecht die Leute an, seid ihr selbst, seid selbstbewusst und lasst euch auf keinen Fall abwimmeln!“