Frühstück in Park Slope, Lunch in Williamsburg, Girls zum Kaffee, Eis zum Abendessen. Und fünfzehn Leute, denen ich nun dringend schreiben muss.

Frozen Waffles und Kaffee zum Frühstück in der Küche meiner Park Slope-Gastgeber Richard und Ann. Die beiden leben seit 26 Jahren in dem kleinen blauen Haus Süden Brooklyns – damals war Park Slope noch ein uncooles, etwas roughes und vor allem bezahlbares Arbeiterviertel weitab von Manhattan. Schwarze und Latino Familien. Nur selten verirrte sich jemand aus der Künstler-Bohème des Greenwich Village hierher. Heute kostet ein Apartment im neuen Condo an der Ecke knapp eine Million Dollar.

Seit ihre Töchter Rachel und Izzie ausgezogen sind, vermieten die beiden das obere Stockwerk ihres mit Büchern, Filmen und dänischen Antiquitäten vollgestopften Hauses. Ein Flügel im Wohnzimmer, ein alter Hund und zwei Katzen gehören ebenfalls zur Einrichtung. Es ist schön. Und seit die Temperaturen Anfang der Woche auf 25 Grad gesunken sind auch nicht mehr unerträglich heiß, denn air conditioning gibt es in dem  alten Haus nicht wirklich. Dafür knarrende Holzdielen, Backsteinwände in der Küche im Souterrain und eine freistehende Badewanne.

Zum Lunch bringen mich zwei Kollegen von der Vice – bei der ich in den nächsten Wochen angedockt bin – zu ihrem polnischen Lieblingsdiner an der Bedford Avenue. „Kasia’s ist einer der Läden, der schon sehr lange hier ist und immer noch so ist, wie es hier vor 15 Jahren aussah,“ erzählt Matt. Er ist vor ein paar Jahren aus Michigan nach Brooklyn gezogen und redigiert jetzt für Vice Geschichten über Somalia und Analsex. „Bis auf die Preise,“ ergänzt Ryan, der Managing Editor. Die hätten sich den Hipsterlokalen in der Umgebung angepasst. Bei Kasia’s ist das Essen hausgemacht und vergleichsweise billig. Ryan geht an manchen Tagen schon morgens vor der Arbeit hierher, um seinen Kater mit einem fettigen Frühstück zu kontern. Ich bestelle ein Grilled Cheese Sandwich, es kommt mit Kartoffelchipps und viel Eiswasser, dass die Kellnerin uns ständig nachgießt.

Wie vor 15 Jahren: Kasia’s Restaurant
Nicht wie vor 15 Jahren: Die Büros von Vice in einem umgebauten Warehouse in Greenpoint.

Abends laufe ich zu Cafe Grumpy in Greenpoint, wo Hannah in „Girls“ hinter dem Tresen steht. Es hat geschlossen. Macht nichts. Janina von „Here She Is“ berichtet, dass von hier Führungen zu den wichtigsten „Girls“-Schauplätzen in Greenpoint stattfinden. Ich komme wieder.

Cafe Grumpy in Greenpoint: Hier sieht es aus wie in „Girls“, weil: „Girls“

Auf dem Rückweg zur Metro komme ich erst an der Peter Pan Bakery vorbei. Laut Ryan gibt es dort die besten Donuts der Stadt, jetzt aber gar nichts mehr, weil die Sonne schon tief steht über Greenpoint. Dann höre ich Musik und Stimmen aus dem McCarren Park. Open Air Kino. Junge Menschen mit engen Hosen sitzen mit Picknickdecken, Klappstühlen und mitgebrachten Pizzen auf dem betonierten Baseballplatz und warten darauf, dass der Film losgeht. Summerscreen, die Open Air Filmreihe, zeigt heute umsonst „Heathers“, einen 80er Klassiker mit Winona Ryder. Das ist alles irgendwie zu gut.

Eiskreme auf einem Donut: serviert die Peter Pan Bakery in Greenpoint. Die Idee hätte auch von Missy sein können.

 

Einer der Foodtrucks am Rand der Veranstaltung gehört „Coolhaus“, einem Eis Startup aus Kalifornien, über das ich gelesen habe. Die Idee: Ice Cream Sandwiches zwischen selbstgebackenen Keksen und selbstgemachte Ice Cream Bars. Sorten heißen Cuban Cigar und Beer & Pretzel. Und die Sandwichkreationen benennen sie nach großen Architekten: „Mies Vanilla der Rohe.“ Inzwischen haben die beiden Gründerinnen Natasha Case und Freya Estreller Trucks und Läden in LA, Austin und New York. Das wären perfekte Gesprächspartnerinnen, ich werde ihnen schreiben.

Überhaupt: Gibt es irgendjemanden, der aktuell NICHT in Brooklyn oder NYC wohnt oder arbeitet? In einem lokalen Magazin sehe ich ein Interview mit Comicautorin Ariel Schrag, die ich schon lange für Missy interviewen will: lebt in Brooklyn. Dass Julia Wertz hier lebt, weiß ich schon länger. Nona Willis Aronowitz, Tochter der Popjournalistin Ellen Willis: ist in Park Slope aufgewachsen, bevor ihre Eltern Mitte der 90er ihr Duplex dort verkauften – für lächerliche 190.000 Dollar. Heute wäre es gut eine Million wert. Aber ihre Mutter hat es offenbar gehasst in Park Slope zu leben, erzählt sie in einem Beitrag für das „Brooklyn Magazine“. Zu spießig. Zu weit weg von den KünstlerInnnen und Intellektuellen in „ihrem“ East Village.

Heute ist Manhattan nur noch ein „großer Spielplatz für Leute mit viel Geld,“ wie Ann sagt. KünstlerInnen und schlecht verdienende Intellektuelle können dort schon lange kaum noch leben. Die sind in Brooklyn. Oder ziehen gleich nach Detroit, Chicago, Nashville oder in eine andere Stadt, die verzeihender ist als New York. Nona Willis Aronowitz, die ebenfalls eine Zeit lang aus der Stadt flüchtete und nun zurückgekehrt ist, schreibt: „New York is kicking my ass every day“. Ich gehe schnell nach Hause zu Ann und Richard, muss mich dringend mit ihr in Park Slope verabreden.