Von Céline Berset
Es ist wieder einmal so weit. Heute ist Match-Tag. Der FC Basel und Lausanne Sport treten an zum letzten Spiel der Meisterschaft im ausverkauften Basler St. Jakob-Stadion. Die Meisterschaft ist entschieden, das Heimteam hat sich bereits die Woche zuvor in Aarau den Schweizermeistertitel gesichert. Heute steht darum nicht nur das Spiel, sondern vor allem die Verabschiedung langjähriger Spieler sowie des Trainers des FC Basel, Murat Yakin, im Vordergrund. Und natürlich die Pokalübergabe, die wie jedes Jahr mit dem Lied „We Are The Champions“ von Queen für Glückseligkeit und Euphorie auf den Rängen sorgen soll.

Frau bereitet sich vor

Schon drei Stunden vor dem Spiel stehe ich vor meinem Kleiderschrank. Das Thermometer misst 25 Grad, es wird eine schwüle Sommernacht. Was ziehe ich an? Einen Rock? Kurze Hosen? Ein Trägershirt? Diese Frage stellt sich für viele Frauen, die sich in der Fankurve bewegen, vor jedem Match. Mit einem Rock oder Hot-Pants könnte man mir unterstellen, dass ich mich nur für die Blicke der männlichen Fans oder die Körper der Fussballspieler interessiere. Ich ziehe blickdichte Strumpfhosen unter die kurzen Hosen an. Dazu ein FC-Basel-Shirt, das zwar aus Polyester und damit nicht gerade vorteilhaft für die Ausdünstung unter meinen Armen ist, dafür aber zumindest mein Fussballinteresse deutlich erkennen lässt. Die Angst vor der Bezeichnung „Modefan“ – was für alle treuen Fussballfans eine absolute Beleidigung bedeutet – lässt mich diese Prozedur vor jedem Match wiederholen, obwohl ich mir über die Lächerlichkeit dieses Vorgangs durchaus im Klaren bin.

„Es sait dr Babbe zue sim Sohn …

… mir faahre hytt ins Stadion“ lautet ein bekannter Fangesang der Muttenzerkurve. Ganz entgegen dieser Zeilen treffe ich mich vor dem Stadion mit meiner Mutter. Ich beäuge ihre bunte Kleidung und verkneife mir den Kommentar, dass sie die farbenprächtige Kleidung auch in Rot-Blau, den Vereinsfarben, hätte halten können. Im Inneren des Stadions suchen wir uns zwei Sitzplätze aus, die sich etwas außerhalb der Fankurve befinden. Vor uns sitzen sechs Männer, die schon eine halbe Stunde vor dem Spiel doppelte Fussbälle sehen. Ihre Unterhaltung beschränkt sich darauf, wie viel Bier sie schon getrunken haben und wer für den Nachschub zuständig ist. Der Stadionsprecher verkündet die Aufstellung der Mannschaft, doch die Bierdiskussion ist für sie gerade wichtiger. Ihr Interesse am Spiel kommt erst bei der Ansage der Spieler auf. Sie grölen laut die Nachnamen der angekündigten Spieler mit, auch wenn sie sich nicht ganz sicher sind, wie all diese Spieler richtig heißen. Ich kenne sie alle. Laut schreie ich aber nicht mit, vielleicht aus Angst, dass ich mit meiner etwas höheren Stimme herausstechen könnte. In der „homogenen“ Masse kann ich mich gut bewegen, doch jede Auffälligkeit birgt die Gefahr, als Ausnahmeerscheinung sanktioniert zu werden.

„Fußball ist halt schon seit immer ein Männerding“

Während des Spiels herrscht reges Geschwätz um uns herum. Manchmal frage ich mich, ob ich die einzige Person bin, die den Fußball wirklich aktiv verfolgt. Bei wichtigen Torchancen, Fouls und Fehlentscheidungen des Schiedsrichters sind dann aber wieder alle dabei. Nach dem Spiel unterhalte ich mich mit einem Fan aus der Utra- Szene über seine Einstellung gegenüber Frauen in der Fankurve. Grundsätzlich habe er gar nichts gegen Frauen, die sich auch wirklich engagieren möchten und viel Einsatz für den Club leisten. Aber: Können denn Frauen überhaupt die Chance bekommen, sich gleich zu engagieren wie die Männer? Seine Antwort ist widersprüchlich: „Wenn die Frauen den Verein unterstützten möchten, dann können sie das auf jeden Fall. Aber Dinge wie beim Lauf zum Stadion in den ersten Reihen stehen oder die Fahnenstange tragen geht nicht“. Es geht hier in erster Linie um die Repräsentanz der Kurve, denn sie will nach außen als starke Einheit wahrgenommen werden. „Wenn eine Frau vorne stehen würde, hätten die Anderen (andere Fankurven) keinen Respekt mehr vor uns“ sagt er mit einem fast entschuldigenden Grinsen im Gesicht. Während des Gespräches wird ihm durchaus bewusst, dass er sich immer wieder in Widersprüchen verstrickt, die er unreflektiert als die Regeln des „Männerdings“ Fußball versteht.

Die Lager sind gespalten

Die Verantwortlichen der Muttenzerkurve, also der Basler Fankurve, beschäftigen sich schon seit längerer Zeit mit der Thematik der Integration von weiblichen Fans. Die Meinungen gehen hier stark auseinander. Ungefähr 5% weibliche Ultra-Fans sind in der Kurve anzutreffen. Um die Akzeptanz der anderen Fans zu erreichen, ist von den Fußballfrauen viel Durchhaltevermögen gefordert. Sexistische Bemerkungen, anstrengende Diskussionen oder schlichte Ignoranz sind nur einige Hürden, die das Dasein als weiblicher Fan in der Kurve erschweren.

Es stellt sich die Frage: Wieso wehren sie sich nicht? Eine Frau aus der Kurve sagt mir, dass die Angst um den Verlust der Akzeptanz, die sie sich über viele Jahre erarbeitet hat, größer ist als die regelmäßigen Rückschläge. Bist du akzeptiert, ist der Fussball auf und neben dem Platz ein wichtiger Teil einer sozialen Gemeinde. Dazu gehören Treffen im Vereinslokal, Freundschaften schließen und Diskussionen über politische Ereignisse.

Ein Foul an der Männlichkeit

Interessanterweise sprechen die männlichen Fans über Repräsentanz, Engagement und den Willen, für den Verein einzustehen. Ob das Fußballinteresse vorausgesetzt wird oder gar nicht immer im Vordergrund steht, wurde mir nicht ganz klar. Das Zusammensein, Emotionen zu teilen, ein Zugehörigkeitsgefühl, auch körperliche Nähe; all diese Faktoren werden in der Fankurve erfüllt. Diese fast schon „unmännliche“ Männlichkeit soll von keinen Frauen gestört werden, schließlich möchte man dieses Gefühl „unter sich“ teilen. „Wenn Frauen dabei sind, ist es schon etwas anderes“ ist eine Antwort, die ich von vielen Seiten zu hören bekomme. Die weiblichen Fans sind dagegen sehr bemüht, als nicht zu männliche („Mannsweiber“!) und nicht zu weibliche („Fußballer-Groupies“!) Supporter aufzutreten.

In puncto Gleichstellung sind viele Fußballkurven noch etwas rückständig, wie die unreflektierten Aussagen der befragten Männer zeigen. Je mehr Frauen sich in dieser Sphäre bewegen und die Konfrontationen nicht scheuen, desto mehr Offenheit und Toleranz ist möglich.