Verhältnismäßig spät aus den USA importiert, hat die Critical Whiteness Debatte in Deutschland gerade in den letzten Jahren deutliche Spuren hinterlassen. So äußerte sich diese Auseinandersetzung beispielsweise in heftigen Grabenkämpfen um die praktische Umsetzung oder in der Kritik daran, die Betroffenheit weißer Subjekte erneut in den Vordergrund zu rücken.

Einerseits hegen manche Zweifel ob der Übertragbarkeit der Debatte auf deutsche Kontexte, andererseits könnte ebenso angemerkt werden, dass sich in den Diskussionen zu wenig auf bereits erarbeitetes, meist franko- und anglophones Material gestützt, das Rad also ständig neu erfunden werde. Beides könnten Ungnädige dieser Publikation in Teilen vorwerfen, geht es doch vornehmlich um psychologische Subjektivierungsprozesse des Weißseins und die konstitutive Funktion des Otherings.

Allerdings sind es gerade diese Prozesse, zu deren gründlicher Untersuchung Anfang der 90er auch Toni Morrison aufruft, wenn sie in den Blick „von den Beschriebenen und Imaginierten zu den Beschreibenden und Imaginierenden“ lenken will. Anmerken ließe sich dennoch, dass sich das Werk im Großen und Ganzen und trotz des Perspektivwechsels nicht allzu sehr von gängigen, postkolonialen Theorien und Schlussfolgerungen unterscheidet.

Tißbergers Ansatz, die Psychoanalyse in produktive Beziehung zu Rassismus- und Sexismusdiskursen zu setzen, ist zwar nicht neu, im Deutschen jedoch noch deutlicher vernachlässigt worden. Ausgehend von Freuds verräterischer Allegorisierung weiblicher Sexualität als „dark continent“, offenbart sie die Konfluenz von Rasse und Weiblichkeit und deren Ausschluss als Gründungsmythe der westlichen Moderne.

Die Autorin ist sich des Verlusts des politischen Potentials, das mit der Psychologisierung von Rassismus einhergeht, durchaus bewusst. Sie geht daher, trotz aller Gründlichkeit, kritisch mit der Psychoanalyse ins Gericht, verweigert sich wie und mit Butler allen vorschnellen Naturalisierungen.

Besonders interessant wird die Studie durch Tißbergers Ergänzungen aus den Erziehungswissenschaften, insbesondere der Säuglingsforschung, wo praktische Psychologie, strukturelle Kritik und progressive Psychoanalyse wirkungsvoll dazu beitragen, die unbewusste Reproduktion von Weißsein zu hinterfragen.

Martina Tißberger „Dark Continents und das UnBehagen in der weißen Kultur. Rassismus, Gender und Psychoanalyse aus einer Critical-Whiteness-Perspektive“ Unrast Verlag, 376 S., 22,00 Euro.