Teil I
Bald ist der Tag gekommen. Der Tag an dem mein Mann das Haus verlässt und hoffentlich mit einer anderen Frau ein Kind zeugt. Ich weiß es und ich will es.

Ich bin aufgeregt. Wir sind es alle. Und endlich, nach einem knappen halben Jahr, weiß ich, warum wir es machen. Das Begreifen liegt in der Zukunft – immer.

Die Frage kam in unser Leben gebrochen. Wir befanden uns in einem denkbar schlechten Zustand. Ehekrise, Berufskrise, kleines Kind. Und trotzdem schien die Antwort einfach, leicht und im Einverständnis. Ja. Ja, wir wollen einem lesbischen Paar Samen spenden. Gleichzeitig und schnell kroch ein Zweifel heran: Warum denkt sich der Gedanke so einfach, leicht und im Einverständnis? Sind wir naiv? Sind wir altruistisch – oder gerade deswegen eher narzisstisch? Was suchen und versprechen wir uns davon?

(Anm. der Redaktion: Der Text thematisiert internalisierte Homophobie)

 

Ohne Antworten haben wir die beiden getroffen. Die Begegnung erzeugte eine große Ruhe in mir. Zwei sympathische Frauen, vielleicht zwei tolle Eltern. Sie sind verheiratet. Die eine hat schon lange den Wunsch, Mutter zu werden. Ich merke schnell, mir geht es nicht um diese beiden Menschen – nicht darum, DIESEN beiden den sehnlichen Kinderwunsch zu erfüllen. Es geht um etwas Anderes, worum weiß ich auch noch nicht. Aber es darf nicht darum gehen, was sie für Eltern wären, sage ich mir immer verzweifelter.

Ich befinde mich in einem Dilemma. Je mehr mein Kopf beharrt, dass das kein Kriterium sein DARF, desto weniger kann ich mich der Sympathie-Frage erwehren. Die Antwort auf die Frage, spenden wir Samen an ein Paar, was sonst keine Kinder bekommen kann, bedarf einer anderen Motivation als den Gedanken, dass sie es verdient hätten. Wer bin ich denn, zu bestimmen, wer möglicherweise gute Eltern sein könnten. Je länger ich denke und spreche, desto mehr Warums entstehen. Warum spenden? Warum diesem Paar? Warum wir? Nichts löst sich, nichts erlöst mich. Die Frage nach dem Warum bleibt. Die beiden Menschen auch.

Ihr Wunsch und meine Frage an mich selbst sind für die nächsten Wochen mein subtiler und ständiger Begleiter.

Dann, ein Gespräch mit meinen Eltern. Sie explodieren mir förmlich ins Gesicht. Ich höre die Stimme meiner Mutter brechen. Ich weiß, sie wird diese Nacht schlecht schlafen. Ich spüre ihren unglaublichen Druck, zu mir durchdringen zu müssen. Aber ich bin doch da, höre zu. Ich bin nicht verrückt und unzurechnungsfähig. Ich sehe die Situation einfach nur anders.

Es geht um ihre Angst. Angst um mich, um uns, um die Familie, unser Kind. Ein unkontrollierbarer Zustand, ein Mensch der noch entsteht, mit dem man keinen Vertrag schließen kann – noch nicht. Der Bedürfnisse haben wird und vielleicht Forderungen. Wissen wir, was wir tun? Worauf wir uns einlassen? Kann unsere Ehe das aushalten? Was ist mit unserer Tochter?

Ich weiß es nicht, Mama. Ich weiß es doch auch nicht.

Und dann schlussendlich homophobe Ressentiments. Was macht das mit einem Kind, gleichgeschlechtliche Eltern?

Auch das weiß ich nicht.

Die Frage nach dem Warum bleibt. Trotzdem, die Sicherheit, dass das der richtige Weg ist, wächst.

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