Von Nikola Richter

Judith N. Shklar

In Deutschland ist sie noch eine Unbekannte, im englischsprachigen Raum gilt sie als Klassikerin der politischen Theorie. Judith N. Shklar, als Judita Nisse in eine deutschsprachige jüdische Familie in Riga geboren, war die erste Frau mit einer Festanstellung in der Fakultät für Politikwissenschaften in Harvard und eine Vermittlerin von europäischem Denken in den USA. Als Tochter eines erfolgreichen Unternehmers und einer Mutter, die kostenlose Kliniken betrieb, bekam sie noch in Lettland die beste bürgerliche Erziehung und wurde 1939 mit 13 Jahren zu einem Flüchtling. Hannes Bajohrs Einführung in das Leben und Werk dieser beeindruckenden Frau geht chronologisch vor und zeichnet sowohl ihre Denkfiguren wie auch ihren Alltag als Frau nach – etwa den Kampf um eine Teilzeitprofessur als Mutter. Shklar sah sich zeitlebens als Außenseiterin – daher auch ihr Glaube daran, dass „gesellschaftliche Vielfalt die vorherrschende Bedingung moderner Nationalstaaten ist und dass man sie unterstützen soll“.

Hannes Bajohr „Judith N. Shklar“ MseB bei Matthes & Seitz Berlin, 1,99 Euro.


Mehr als nur Freundinnen

Dies ist ein Frauenroman, wie er typischer nicht sein könnte: Anna und Kristin lernen sich als Studentinnen kennen, bekommen gleichzeitig ihr erstes Kind und tauschen sich mehr oder weniger regelmäßig über ihren Alltag zwischen Hausarbeit, Erziehung, Mannbeziehung und Job aus. Das liest sich zwar ganz gut, denn Eva Prinz, im ersten Beruf Lehrerin und im zweiten mit diesem Debütroman Autorin, kann erzählen und ihren Figuren Leben auf einer Zeitleiste einhauchen. Aber genau da liegt das Problem: Die Figuren sind zu erwartbar. Unglaublich, wie ungebrochen alle Szenen dieser weißen Mittelschichtsfrauen durchdekliniert werden – Hausbau, Tod der Eltern, Flucht in den Sport, ja, es gibt sogar einen kleinen Seitensprung. Ist das alles, was ein Text erreichen will? Wenn schon Hausfrauen, dann bitte desperate housewives.

Eva Prinz „Mehr als nur Freundinnen“ if eBooks, 4,99 Euro.


Schnelle Nummer

In Zeiten des „conservative turn“, der Frauen glücklich mit Dutt und Blümchenkleid herumlaufen lässt, ist es nur zwangsläufig, dass auch das Stundenhotel ein Revival erlebt: ein Ort für die versteckte, zeitgenau abgerechnete Affäre, die das offizielle Paarleben nicht hinterfragt. Auf der Website des Wiener Hotels Orient, einem der berühmtesten Stundenhotels der Welt, das Nora Bossong in ihrer literarischen Reportage besucht, steht folglich: „Sauber verschwiegen. All die Abdrücke am Lacktisch vor dem Spiegel: Traumreste. Traumreste, um die die Dienstmädchen sich kümmern.“ Ich könnte mich schon auf der Website dieses Hotels festlesen, Rotlichtfantasien mit Ethnokitsch („Masken und Kultgegenstände aus Afrika“), aber besser ist es natürlich, dass die Autorin selbst dort und an vielen anderen Orten eingecheckt und ihre Eindrücke aufgeschrieben hat: „Barock von hinten.“ Zumal das Stundenhotel von heute weitaus vielfältigere Dienste leistet als gedacht. Einige besuchen es sogar, um mal in Ruhe miteinander zu reden. Anregend und erhellend.

Nora Bossong „Schnelle Nummer“ Hanser Box, 1,99 Euro.


Nikola Richter leitet den E-Book-Verlag mikrotext und stellt hier zweimal jährlich neue Titel aus Digitalverlagen vor.