Mit ihrer Single „Girls“ liefert sie die Lesbenhymne des Jahres 2014 und füllte in Schweden schon vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Die Another Day“ Konzerthallen bis zum Ausverkauf. Eine sexuelle Revolution stand gar nicht auf ihrer Agenda, trotzdem ist sie jetzt mittendrin.

Foto: Märta Thisner

Mit ihrer Single „Girls“ liefert sie die Lesbenhymne des Jahres 2014 und füllte in Schweden schon vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Die Another Day“ Konzerthallen bis zum Ausverkauf. Eine sexuelle Revolution stand gar nicht auf ihrer Agenda, trotzdem ist sie jetzt mittendrin.

Missy: Dieses Jahr hast Du Schwedens Popszene aufgemischt und warst in aller Munde. Von der Underground-Musikerin bist Du zum Popstern geworden. Fühlt sich das komisch an?
Beatrice Eli: Ich hab mich nie als Underground-Künstlerin wahrgenommen, hab mich aber auch nicht im Mainstream gesehen, ich mache schließlich Pop. Die EP „It’s over“ hatte ich 2012 rausgebracht, die kam gut an, aber dann wurde es ruhig um mich. Dabei hatte ich noch all diese Lieder auf meinem Rechner, die noch nie jemand gehört hatte. Und jetzt sind sie draußen.

Bist Du jetzt sehr beschäftigt?
Ja, schon. Ich schreibe zur Zeit an neuem Material und bin im Studio. Ich hab ein paar Konzerte gegeben und werde nächstes Jahr eine Tour durch Schweden machen. Hoffentlich spiele ich auch in Berlin und Paris!

Du singst über viele intime Themen wie lesbischen Sex und Masturbation. Entblößt Du Dich damit nicht?
Auf meinen Konzerten nicht so sehr, weil mein Publikum entweder selbst queer ist oder zumindest kein Problem mit dem Thema hat. In Interviews komme ich allerdings manchmal in unangenehme Situationen mit heterosexuellen Journalist_innen. Du musst nicht mal homofeindlich sein, um ignorant zu sein. Ich schreibe über Sex, sogar über lesbischen Sex und lesbische Liebe, darüber wollen die Leute immer viel reden. Es ist seltsam, für mich ganz normalisierte Dinge immer wieder erklären zu müssen. Entblößt fühle ich mich nicht, sondern eher ein bisschen schmutzig nach dem Gespräch. Warum muss es so eine große Sache sein, dass ich eine Lesbe bin?

Beatrice Eli – „GIRLS“ from Lillasyster produktion on Vimeo.

Deine Lesben-Hymne „Girls“ wird manchmal mit Katy Perrys „I kissed a girl“ verglichen. Wie fühlt sich das an?
Es ist typisch, dass dieser Vergleich kommt. Als Femme bekommst du die Bestätigung weder in der lesbischen Community, noch in der heterosexuellen. Weil ich so feminin bin, begreifen viele Leute nicht, dass ich gleichzeitig auch lesbisch sein kann. Wenn ich diesen Song als Butch performen würde, käme niemand auf die Idee, mich mit Katy Perry zu vergleichen. Ich lege ja auch viel von mir in diesem Song dar, aber der Text wird überhört und bekommt nicht die Anerkennung, die er verdient hätte.

Es ist auch enorm empowernd für andere Femmes, eine so starke Popsängerin wie Dich zu hören. Viele queere Acts sind androzentrisch und butchig. Du machst sichtbar, dass Lesben auch Lippenstift und Samttops tragen können.
Bevor ich das Album fertig hatte und „Girls“ drauf war, hatte ich mir vorgenommen, mein Lesbischsein nicht so stark zu thematisieren. Trotzdem wollte ich, dass die Leute erkennen, dass ich lesbisch bin, was auch so eine typische Femme-Sache ist. Ich hab meinen Look ein bisschen verändert, fühlte mich aber nicht so wohl damit. Die Angst, als Hetera gelesen zu werden, war einfach zu groß! Eigentlich sollte Kleidung ja keine große Sache sein, aber sie wird trotzdem zur Sache gemacht. Zumindest für mich. Als ich anfing, mehr Röcke auf der Bühne zu tragen, war es total gruselig für mich. Ich hätte nicht gedacht, dass Typen mich dadurch begehren! Durch meine ganzen Tattoos wurde mir manchmal zugeschrieben, nur der männlichen Aufmerksamkeit wegen als Lesbe zu posen. Schrecklich! Deshalb finde ich es so wichtig, Femmeness zu repräsentieren, schließlich fühlte ich mich selbst kaum vertreten und wollte das ändern.

In so heteronormativen Strukturen wird eine ja auch als Hetera gelabelt, bis sie etwas anderes beweist.
Genau. Oder bisexuell. Ich hab kein Problem mit Bisexualität, aber Typen interessieren mich einfach nicht, das ist nicht meine Identität.

Du bist ja auch in einer Beziehung mit der Rapperin Silvana Imam, die parallel zu dir ihren Erfolg als Newcomerin feiert. Hilft es dir, dich mit einem anderen queeren Neuling austauschen zu können?
Absolut. Wir sprechen viel darüber, in so einer großen Öffentlichkeit geoutet zu sein. Wir kennen uns seit zwei Jahren, aber daten erst seit ein paar Monaten. Dieses Thema war aber schon immer sehr wichtig für uns beide. Es gibt mir viel Kraft und Zuversicht zu sehen, wie sie ihr Ding durchzieht. Wir schicken uns auch gegenseitig neue Songs und reden über Interviews… Es ist perfekt!

Silvana Imam – I•M•A•M – JJ remix from Olivia Kastebring on Vimeo.

Viele Deiner Lieder über Liebe sind sehr dunkel und handeln von Gewalt in Beziehungen. Diese Motive habe ich schon bei FKA twigs „LP1“ beobachtet. Siehst Du das als neue Tendenz, dass Liebe im Pop de-romantisiert wird?
Die meisten guten Liebeslieder sind traurig, in fast allen Genres. Es ist einfach schwer, ein gut gelauntes Liebeslied zu schreiben. Mir fällt nicht mal ein gutes ein!

Du hast doch selbst einige im Repertoire!
Ja, aber es ging mir schlecht, als ich sie schrieb. Die Euphorie kam aus dem Unterbewusstsein. Aber vielleicht wird das nächste Album positiver, was die Liebe angeht. (lacht) Ich glaube, wenn du glücklich verliebt bist, dann hast du keine Zeit, darüber Songs zu schreiben, du bist viel zu beschäftigt damit, die Liebe zu leben. Deshalb gibt es vielleicht so wenige positive Lovesongs.

Fröhliche Liebeslieder sind ja auch wirklich keine Mangelware oder auf irgendeine Art unterbesetzt. Liebe ist schließlich ein dunkles Thema, es gibt in vielen Beziehungen alle möglichen Formen von Gewalt.
Ja, total. Viele meiner straighten Freundinnen glorifizieren mein Lesbischsein mit sexistischen Klischees. Sie erzählen mir, wie toll es sein muss, mit der Partnerin über alles reden zu können und dass es sich bestimmt so anfühlt, wie mit der besten Freundin Sex zu haben. Aber es gibt so viel Herzleid in queeren Beziehungen. So viel! Trotzdem ich würde ehrlich gesagt auch nicht straight sein wollen, mein Lesbischsein ist so ziemlich das Schönste, was mir passiert ist.

Weibliches Begehren ist auch ein wichtiger Fokus auf der Platte. Dabei gibt es keinen Bezug auf Männer. War das eine bewusste Entscheidung?
Nein, nicht wirklich. Meine Songs sind einfach sehr offen. Und ich bin offen lesbisch. Das passiert dann einfach. In Interviews wird mir unterstellt, alle meine Lieder würden von Sex handeln. Das ist nicht wahr, in ein paar Liedern kommt das Thema vor, aber nicht die ganze Zeit. Aber weil meine Liebeslieder an Frauen adressiert sind, tendieren Menschen dazu, eine große Sache draus zu machen. Ich meine, wenn du über Liebe schreibst, geht es in der Regel implizit auch um Sex. Politik stand nie auf meiner Agenda, aber leider wird meine Musik aufgrund meines Begehrens so stark politisiert.

Hattest Du Dir vorgenommen, ein feministisches Album zu machen?
Nein, aber ich bin Feministin und lebe als solche. Die Songs werden dadurch ein Teil meiner feministischen Praxis.

Wer dir auf Social Media Kanälen folgt, kennt mittlerweile sogar deine drei Ratten. Sind sie eigentlich nach Britney Spears und Pamela Anderson benannt?
Ja. Und nach Sindy. Es gibt damals die teure Barbie, und die billigere Version namens Sindy. Die Billig-Barbie sozusagen! Das ist auch ein Statement.

Beatrice Eli – Moment of clarity from Mats Udd on Vimeo.

Beatrice Eli
Die Another Day
Razzia Records/Family Tree Music AB