Von Annette Walter

Als Leserin kann ich es ja schon nicht mehr hören, wenn immer wieder die Rede von „starken Frauen“ ist, die auch Berlinale-Chef Kosslick bei der Vorab-Pressekonferenz als Thema der diesjährigen Berlinale bemühte. Dieser Begriff ist so überstrapaziert und nichtssagend, als müsse man mit diesem Adjektiv immer hervorheben, dass Frauen ja von Natur aus schwach sind, in welcher Hinsicht auch immer.

David Oyelowo, Ava DuVernay Atsushi Nishijima © Studiocanal
David Oyelowo, Ava DuVernay
Atsushi Nishijima © Studiocanal

Sei’s drum: Eine der spannendsten Regisseurinnen auf der Berlinale 2015 ist ohne Zweifel Ava DuVernay. Ihr Film „Selma“ über den amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King läuft zwar in der Reihe Berlinale Special Gala und kann deshalb keinen Preis bekommen. Aber DuVernay könnte in zwei Wochen einen Oscar für den besten Film erhalten und wäre damit die erste schwarze Regisseurin, der das gelingen würde.

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Welche Frauenfiguren dominieren die Filme der diesjährigen Berlinale? Auffällig ist ein Trend: die Rebellion der Frauen im Genre des Kostümdramas. Einige der vorgestellten Filme zeigen, wie ganz unterschiedliche Frauenfiguren aus einem Korsett der Konventionen ausbrechen. Mehrere dieser Filme sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelt, als würde man dieser Zeit das größere Konfliktpotenzial zutrauen. Und doch funktioniert die Rebellion ganz unterschiedlich.

Léa Seydoux
Léa Seydoux in „Journal d’une femme de chambre“

In Benoît Jacqouts Wettbewerbsbeitrag „Journal d’une femme de chambre“ befreit sich Léa Seydoux, die mittlerweile schon Stammgast auf der Berlinale zu sein scheint, als Kammerzofe Célestine etwa von den Erwartungen ihrer Zeit und setzt dafür vor allem ihre erotischen Vorzüge ein. Vermutlich mal wieder eine Paraderolle für Seydoux und hoffentlich so gut wie ihre großartige Darstellung in „Blau ist eine warme Farbe“. Juliette Binoche legt sich mit Eis und Schnee an als Josephine Peary, die mit dem Polarforscher Robert E. Peary verheiratet ist. In Isabel Coixets „Nobody wants the night“ reist sie durch die ewige Kälte Grönlands. Gefiel nicht jedem. Nicole Kidman mischt im wüstentauglichen Kostüm als Gertrude Bell an der Neuordnung des Nahen Ostens in den 1920er-Jahren mit und drehte für „Queen of the desert“ erstmals mit Werner Herzog.

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Noch eine Frau, die sich den Konventionen ihrer Zeit widersetzte, sieht man in der Biografie von Annemarie Schwarzenbach, einer Weggefährtin Erika Manns im Berlin der Weimarer Republik, die nur 34 Jahre alt wurde. Véronique Aubouy besetzt in „Je suis Annemarie Schwarzenbach“ verschiedene SchauspielerInnen als Schwarzenbach. Mal sehen, ob das aufgeht.

Und noch ein interessantes Wiedersehen gibt es und zwar mit unserer Lieblingsstreberin Peggy „Mad Men“ Olson (Elisabeth Moss). Sie muss mal nicht Don Drapers Macho-Alllüren ertragen, sondern spielt in Alex Ross Perrys „Queen of Earth“ in einer Geschichte über zwei beste Freundinnen.