Von Annette Walter

Diary of a Chambermaid (Benoît Jacquot – Wettbewerb)

In Jacquots Film, der auf dem Roman von Octave Mirbau von 1900 basiert, wird Léa Seydoux als widerspenstige Kammerzofe mal wieder ihrem Ruf als wichtigster Schmollmund des französischen Kinos gerecht. Seydoux’ mysteriöse Ausstrahlung passt ganz gut zu dieser Kammerzofe in einer Zeit, in der sich Frauen als Dienstmädchen von ihren männlichen Arbeitgebern vergewaltigen und schwängern lassen mussten. Céléstine berichtet in einer Szene lapidar von ihrer Entjungferung, von einem struppigen alten Mann für eine Orange. So weit, so abschreckend.

Léa Seydoux © Carole Béthuel

Die Sexszenen in diesem Film tun fast schon körperlich weh, so ruppig geht es zur Sache. Ja, es war nicht lustig als Frau in der französischen Provinz des 19. Jahrhundert zwischen notgeilen Hausherren und judenhassenden Gärtnern. Und was tut Céléstine, um auszubrechen? Sie bändelt mit dem sadistischen Gärtner (Vincent Lindon) an, der ihr einen grandiosen Deal anbietet: Sie darf in seiner Hafenkneipe die Barfrau spielen und sich nebenher für ihn prostituieren. Und Céléstine macht auch noch mit. Wobei vermutlich besser als dem grapschenden Hausherren ausgeliefert zu bleiben.

Regisseur Jacquot ist eine solide Charakterstudie gelungen, die ohne Seydoux vermutlich ziemlich blass geblieben wäre, zu sehr vertraut die Kamera auf ihre Ausstrahlung, zu dicht bleibt sie an ihrem schönen Gesicht. An eine frühere Verfilmung des Romans, für die Buñuel verantwortlich war und die noch weitaus sarkastischer zu Werke ging, kommt dieser Berlinale-Wettbewerbs-Beitrag allerdings nicht heran.

Robert Viglasky © The Weinstein Company
Robert Viglasky © The Weinstein Company

Woman in Gold (Simon Curtis / Berlinale Special Gala)

„Es gibt jetzt mehr Nazis in Wien als 38“ – Schön brachte es Thomas Bernhard 1988 in seinem Stück „Heldenplatz“ mal wieder auf den Punkt in seiner Abrechnung mit seinem Heimatland Österreich, dass sich der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit lange verweigerte. Nun läuft mit „Woman in Gold“ ein Film auf der Berlinale, der sich des Umgangs der gemütlichen Alpenrepublik mit der NS-Raubkunst annimmt.

Es geht um das vermutlich bekannteste Klimt-Gemälde ever, das goldbeladene Porträt von Adele Bloch-Bauer. Dieses Werk wurde der jüdischen Eigentümerfamilie wie so viele Kunstschätze in der Nazizeit weggenommen. Nun will die Nachfahrin Maria Altmann, die dem Holocaust entkommen konnte und später als alte Frau in Kalifornien lebte, Gerechtigkeit und verklagt Österreich – ein Rechtsstreit, der 2006 damit endete, dass Österreich das Bild herausgeben musste und es seitdem nicht mehr im Belvedere, sondern in der Neue Galerie New York hängt.

Leider ist „Woman in Gold“ ein gutes Beispiel, wie man eine erzählenswerte Geschichte mit dümmlichen Dialogen, aufgebauschtem Pathos und einem kitschigem Streichersoundtrack verderben kann. Zum einen vertraut Regisseur Curtis zu wenig darauf, dass allein der Fall dieses historischen Urteils genug für einen Film hergegeben hätte. Deshalb konzentriert er sich auf die Kabbeleien zwischen dem ungleichen Duo Helen Mirren und Ryan Reynolds als spleenige Alte und Jungspund-Anwalt, was ziemlich fad ist.

Außerdem nerven Mirrens alberne Gags, die ihr Drehbuchautor Alexi Kaye Campbell warum auch immer  in den Mund gelegt hat. Zudem trieft der Kitsch, wenn jede Gerichtsverhandlung über den Verbleib des Bildes wie das jüngste Gericht zelebriert wird. Zu allem Überfluss muss auch noch ein Seitenplot mit Katie Holmes als treusorgender Frau an des Anwalts Seite etabliert werden. Vermutlich ein Mittel, um es dem oder der ZuschauerIn noch mal mit dem Holzhammer zu sagen: Seht her, hier die kuschelige Familienidylle mit Säugling als Hort der Glückseligkeit in Kalifornien und da, die böse Welt der ewiggestrigen Wiener, die immer noch nichts kapiert haben, dass sie den Anschluss ja wollten. Fazit: Klischeehaftes-Mainstream-Kino, das nicht wirklich überzeugen kann.

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