Von Annette Walter

Eine lohnenswerte Entdeckung kann man in diesem Berlinale-Jahrgang im Panorama Special machen: „Petting Zoo“, ein behutsamer Film mit einer tollen, noch unbekannten Hauptdarstellerin namens Devon Keller, die man demnächst hoffentlich noch in anderen Filmen sehen wird. Es geht um die 17-jährige Leyla im texanischen San Antonio, die von einem Kiffer-Loser namens Danny schwanger wird. Ein College-Stipendium kann sie mit Kind vergessen. Und von einer Abtreibung wollen ihre pseudoreligiösen Eltern nichts wissen.

Devon Keller in "Petting Zoo" Copyright: Keine Angabe
Copyright: Keine Angabe

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Ähnlich wie bereits Jason Reitman 2007 mit „Juno“ ist Regisseurin Micah Magee ein überzeugendes Stück über Teenagerschwangerschaften gelungen, das nie sentimental oder moralisierend wirkt. Magee hat übrigens an der Deutschen Akademie für Film und Fernsehen studiert und zehn Jahre in Berlin gelebt. Sie setzt auf leise Töne, auch wenn ihre Kritik an der verlogenen Bigotterie in Texas, wo Sexualerziehung in der Schule unter den Tisch fällt und besonders viele Teenager schwanger werden, deutlich rüberkommt. Leyla gerät durch die Ignoranz ihrer Eltern und Umwelt in eine ausweglose Situation. Die intime Bildsprache und das sanfte Licht passen gut zur Verlorenheit, in die die 17-Jährige abdriftet. Absolut sehenswert. Ach ja, und eine nette Idee von Magee, ihre Lieblingsband aus San Antonio, „Girl in a Coma„, auftreten zu lassen.
Neun Leben hat die Katze (Ula Stöckl)
Ganz ehrlich: Ich hatte bisher noch nie einen Film von Ula Stöckl gesehen, aber einen Großteil von Fassbinder, allein, weil ihn TheaterregisseurInnen immer wieder gern auf die Bühne bringen. Unfair, dass Fassbinder so weit vor Stöckl im filmischen Kanon rangiert, obwohl beide in den ausgehenden 1960er-Jahre aktiv waren und den Neuen Deutschen Film als Antwort auf „Papas Kino“ prägten.

Source: Deutsche Kinemathek, Berlin

Nun zeigte die Reihe Berlinale Classics eine Neubearbeitung von Stöckls Debütfilm„Neun Leben hat die Katze“ und es ist filmhistorisch ein Werk, das sich zu entdecken lohnt. Als ersten feministischen Film der BRD bezeichnete ihn die Kritikerin Christa Maerker. Er spielt 1968 in München, der Zeit, als die Stadt ihre goldene Zeit des Films erlebte. Fassbinder soff in den Schwabinger Kneipen und holte Hanna Schygulla vom Anglistik-Seminar in seine ersten Werke „Katzelmacher“ und „Liebe ist kälter als der Tod“. Auf der Leopoldstraße gröhlten die Studentinnen und Studenten „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“. Das war der Zeitgeist, in dem Stöckls Film über eine Gruppe weiblicher Protagonistinnen entstand. Diesen Frauen ist gemeinsam, dass sie nach einer Identität suchen, sei es sexuell, beziehungstechnisch oder beruflich. Fragmentarisch werden Betrug, Karrierepläne, Freundschaft in den lose aneinandergereihten Kapiteln verhandelt, in denen sich die fünf Darstellerinnen durch München treiben lassen.

Mehr Essay als Spielfilm mit stringenter Handlung, artifiziell und improvisiert wirkende Dialoge, schummeriges Licht, Störungen in der Tonqualität, Avantgarde-Musik: „Neun Leben …“ ist ein sperriger Film, der es einem nicht leicht macht, der sucht, aber keine Antworten findet, der Chaos schafft, statt zu ordnen. Aber gerade damit ist er die adäquate filmische Antwort auf die Unübersichtlichkeit der neuen Möglichkeiten gewesen, die sich Frauen in den ausgehenden 1960er-Jahren geboten haben.