Sind Emily, Jessica und Camilly Staveley-Taylor die britische Antwort auf Haim? Drei Schwestern: ja. Aber musikalisch: nein. Jetzt ist ihr zweites Album „If I was“ erschienen. Ein Gespräch über Gleichstellung, Wisconsin im Schnee und das Folk-Revival

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Was ist cool daran, als Schwestern eine Band zu haben?
Emily: Wir können offen miteinander umgehen und müssen nicht jeden Tag gutgelaunt sein. Wenn eine von uns down ist oder müde, ist es in Ordnung, weil wir uns verstehen. Jess und Milly leben auch zusammen – und ich wohne nur 20 Minuten entfernt.

Wie war es, Euer Album „If I was“ im Studio von Justin Verne (Bon Iver) in den April Base Studios aufzunehmen? Das liegt ja außerhalb der Stadt Eau Claire im doch, äh, recht ländlichen Teil von Wisconsin?
Jessica: Unglaublich. Wir waren davor so viel auf Tour, jahrelang eine nach der anderen. Das macht Spaß, aber nach einer Weile waren wir echt müde.

Milly: Wir hatten das Gefühl, seit Jahren nichts kreativ geschaffen zu haben. Wir hatten so viele Ideen und nie Zeit, etwas zu machen. Justin fragte uns dann, ob wir nach Wisconsin kommen. Dort sprudelte alles nur so aus uns heraus. Das passierte ganz natürlich. Es war ein guter Ort, um sich auf die Dinge zu konzentrieren. Das Studio liegt im Nirgendwo. Man will nicht wirklich nach draußen, weil es so kalt ist. Sehr förderlich, um kreativ zu sein.

Emily: Es war so kalt, dass wir in dem Haus förmlich eingesperrt waren. Es war völlig normal, nachmittags einen Film zu schauen und um drei Uhr nachts eine Aufnahme zu machen.

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War es anders als bei Eurem ersten Album?
Emily: Absolut. Bei unserem ersten Album hatten wir einige der Lieder schon sehr lange. Wir haben sie so aufgenommen, dass wir einen organischen Livesound hin bekommen. Das war eine wunderbare Erfahrung. Beim zweiten Mal hatten wir erst mal keine Ahnung. Wir waren offen für jede neue musikalische Erfahrung. Wir hatten keine Lust darauf, dass das Label immer nachfragt: Wie läuft es bisher? Wir haben alles erforscht und mit neuen Instrumenten und Sounds gespielt.

Manche finden, Eure Musik passt besser in die USA.
Milly: Stimmt, diese Referenz wird ab und zu gezogen.

Emily. Folk wird eben oft mit den USA verbunden.

Welche Musik hört Ihr gern?
Milly: Vieles, etwa Bahamas (Künstlername des kanadischen Musikers Afie Jurvanen) und Feist.

Wie bewertet Ihr den Hype um das Neo-Folk-Revival, der ja mit dem Erfolg von Bands wie Mumford & Sons kam?
Emily: Ach, mittlerweile ist es etwas ruhiger geworden.

Milly: Die ganze Bewegung kam zu einer Zeit, als die Leute danach gierten, wirklich echte Musik zu hören. Auf einmal machten alle Musik mit lauter akustischen Instrumenten, die man zuvor nie im Radio gehört hätte. Da ist eine gute Sache explodiert. Aber die Hörer sind irgendwann weitergezogen und wollten dann wieder elektronische Musik. Die Genres kommen doch immer in Wellen.

Emily: Wir haben unser erstes Album nicht mit dem Hintergedanken gemacht, dass wir eine Folkband sind. Ich glaube nicht, dass sich die Bands mit solchen Labels befassen. Du musst der Musik folgen, die in Dir steckt. Wenn dich das auf Folk bringt, ist es okay, wenn es dich auf Rock oder Elektronik bringt, auch. Wir versuchen einfach, die Musik zu machen, die wir lieben. Wir stecken die Bands, die wir mögen, auch in Genres. Genres helfen, wenn man in einem Musikladen ist, um eine Band zu finden, die man mag. Aber man darf sich nicht davon definieren lassen.

Seid Ihr in einer Szene mit KünstlerInnen wie Mumford and Sons oder Laura Marling oder macht jeder sein eigenes Ding?
Emily: Ich glaube, beides. Eine schöne Sache an der Folk-Szene in London war und ist, dass es sich wirklich um eine Gemeinschaft handelt. Wir hatten sehr viel Glück, dass wir da reingekommen sind. Besonders, weil wir ja nicht in London, sondern in Watford leben. Es gibt viele Bands, mit denen wir getourt und uns angefreundet haben: Mumford & Sons, Ben Howard, Michael Kiwanuka, Marcus Foster, James Vincent McMorrow, Bon Iver, Angus and Julia Stone. Wir haben überall, wo wir waren, Freunde, ein paar Leute in New York, ein paar in Berlin …

Milly: Die Folkszene ist so offen und freundlich. Es scheint wenig Ego zu geben. Nicht wie bei Indie-Bands oder Musikern, die cool sein wollen. Da gibt es mehr Wettbewerb bei den Band. In der Folk-Szene herrscht dieses „Willkommen in meinem Club“-Ding.

Ihr werdet gern mal mit Haim verglichen.
Emily: Stimmt. Mit denen sind wir schon seit einiger Zeit in Kontakt. Wir haben sie vor zwei Jahren beim South by Southwest-Festival getroffen. Wir sind uns einfach auf einer Straße über den Weg gelaufen. „Hey ihr seid Haim“, haben wir  gerufen. Sie kreischten zurück „Hey, und ihr seid doch The Staves“. Dann haben wir beschlossen, einen Sleepover zu haben. Ist noch nicht passiert bisher.

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Ist Feminismus wichtig für euch?
Jessica: Für mich ist das sehr relevant. Immer noch. Jede Frau macht Erfahrungen mit Ungleichheit und stößt auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Wir haben Glück, dass wir als Frauen in dem Teil der Welt, in dem wir leben, ziemlich gleichgestellt sind. Aber es ist nicht so, dass alles okay ist und wir uns entspannen können. Es gibt die ganze Zeit noch Kämpfe, zum Beispiel beim Thema gleiche Bezahlung für Männer und Frauen. Ich weiß leider nicht genau, wie das in Deutschland aussieht. Wir haben Glück, genau in dieser Zeit in der Musikindustrie zu sein, weil es jetzt viele Künstlerinnen gibt und All-Female-Bands. Aber niemand würde je von einer All-Male-Band sprechen. Das ist dann eben einfach eine Band.

Milly: Es heißt immer Girl-Band.

Jessica: Wir wollen auch nur eine Band sein. Überleg mal, wie viele Drummerinnen kennst Du? Wie viele Tourmanagerinnen, wie viele weibliche Soundengineers, wie viele weibliche Roadies? Wie viele Agentinnen, die bei Record Labels arbeiten? Es ist eine sehr männliche Welt.  It’s a man’s, man’s world.

Milly: Aber dafür ist es großartig, dass es jetzt eine Band wie Haim gibt. Sie sind ein Vorbild für jüngere Mädchen. Sie sind so gut und rocken sehr.

Emily: Super-selbstbewusst. Es geht bei ihnen nicht nur darum, hübsch auszusehen.

Milly: Es ist okay für sie, auf der Bühne zu schwitzen.

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Ist es für Eure Selbstwahrnehmung wichtig, dass Ihr nicht nur als Covergirls wahrgenommen werdet?
Emily: Ja. Wir wollen keine Models sein. Wir wollen nicht lasziv herumliegend auf einem Magazincover abgebildet sein. Es soll um unsere Musik gehen. Aber es gibt natürlich auch Musikerinnen, die denken, ihr Aussehen sei ein wichtiger Teil ihres Images. Das ist okay. Aber nicht für uns.

Milly. Wir haben das von Anfang an bewusst gesteuert. Und wir haben auch Glück, weil wir nicht in dieser Superpop-Sparte sind. Unsere Plattenfirma würde sich gar nicht trauen, uns in diese Ecke zu pressen. Vermutlich eine gute Position.

Lastet beim zweiten Album mehr Druck auf Euch?
Milly: Unser Label hat uns machen lassen. Die wissen, dass sie dann das beste von uns bekommen. Sie haben uns Freiheit gegeben.

Gab es für Euch je einen Plan B ohne Musik?
Milly: Emily hat Schauspiel studiert.

Jessica: Ich mag Zeichnen. Du bist auch gut in Kunst, Milly.

Milly: Ich war auf einer Kunstschule. Aber Musik war immer an der Spitze der Liste. Bei Musik kann man viel reinbringen. Jess hat das Artwork für unser erstes Album gemacht.

Wie ist Euer neues Cover entstanden?
Milly: An einem der letzten Tage der Studioaufnahmen machte Justin dieses Polaroid von uns. Es war schnell klar, dass es unser Cover wird.

Emily: Wir haben gesagt, jetzt, wo wir das Cover haben, können wir ja eigentlich heimfliegen.

The Staves „If I was“ (Watford)