Ein Mal im Jahr verwandelt sich der Weißenhäuser Strand in Schleswig-Holstein zum Paradies für Lesben und bisexuelle Frauen. Wassersport, Konzerte, Partys, Bücherstände und Ostsee-Idylle so weit das Auge reicht: Dieses Strandvergnügen durfte Missy-Autorin Julia Martin gemeinsam mit knapp 4000 anderen Personen auf dem L-Beach erleben.

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Foto: Moritz Grießhaber

Vor Ort traf sie auf Beatrice Eli, die lesbisch-feministische Pop-Neuentdeckung aus Schweden, und Steffi Jakobs von der Berliner Audiolith-Band TUBBE, die auch mit ihrem neuen Album „Keine Arbeit lieber Tanzen“ eingängigen Elektropunk/Pop abliefern.

MISSY: Beatrice, du hast ja gerade dein Konzert gespielt. Wie hat es dir gefallen?
Beatrice Eli (BE): Es war großartig. Ich habe es sehr gemocht. Jemand hat mir erzählt, dass deutsche Lesben nicht tanzen. Ist das wahr?

Steffi Jakobs (SJ): Ja, du musst sie zwingen. (lacht)

BE: Und das habe ich versucht.

Ich glaube, viele Leute sind oft einfach zu schüchtern zum Tanzen.
BE: Ich weiß nicht. Ich dachte immer, Deutsche sind so richtig verrückte Tänzer_innen („crazy dancers“). Auf diese Schüchternheit war ich nicht vorbereitet, aber ich fand, es gab eine richtig gute Energie auf dem Konzert.

Tiefe Blicke von Beatrice Eli (Foto: Märta Thisner)
Foto: Märta Thisner

Steffi, bist du aufgeregt vor deinem Auftritt mit Tubbe?
SJ: Ja, bin ich. Wir haben eine Katze und wir haben Konfetti, aber das darf noch niemand wissen.

BE: Ihr habt eine Katze?

SJ: Ja, hier (zeigt auf einen Katzenballon). Und wir haben Knicklichter! Wir sind gut vorbereitet. Lesben lieben Katzen.

BE: Das ist wahr!

(alle lachen)

Ist es für euch etwas Besonderes vor einem queeren_lesbischen Publikum aufzutreten?
BE: Ja, auf jeden Fall. Ich meine, zu meinen Shows kommen immer viele Lesben, wenn ich in Schweden auftrete. Ich fühle mich damit ein bisschen freier, ein bisschen wohler. Ich hatte mal einen Auftritt, ich weiß nicht mehr wo und ich will es auch gar nicht mehr wissen, dort waren nur Typen im Publikum – und sie haben es gehasst, sie haben mich gehasst.

Fühlst du dich denn generell eher von Frauen oder von Männern sexualisiert?
BE: Ich fühle mich mehr von Frauen sexualisiert. Aber für mich ist das okay, wenn eine Frau mich sexualisiert anschaut. Ich fühle mich gleichwertig und dann ist es okay. Aber wenn Männer es tun… es ist einfach nicht für sie. Vielleicht sehe ich aus, als sei ich straight und sie denken, mein Auftreten es sei für sie, aber das ist es nicht. Das nervt mich.

SJ: Das passiert mir kaum!

(alle lachen)

Aber Steffi, du hast auch eine ziemlich große lesbische Fanbase…
SJ: Ja, das stimmt und das ist auch schön. Es macht einen Unterschied. Männer sind offensiver. Ich weiß nicht, ob eine Frau jemals zu mir schreien würde: „Zieh dich aus!“

BE: Oh, das haben sie getan?

SJ: Nein, aber Männer tendieren dazu, das zu tun. Nicht mit mir, aber ich denke, dass es wahrscheinlicher ist, dass Männer es machen als Frauen.

BE: Also wenn du auf der Bühne stehst, fassen dich dann Frauen an?

SJ: Ähmm…

BE: Ja, sie tun’s! (lacht)

SJ: Nein, eigentlich eher nicht…

Beatrice, fassen dich denn fremde Frauen auf der Bühne an?
BE: Ja. Manchmal ist es nur ein kleines bisschen, aber bei manchen Konzerten, die ich hatte….

Zurück zum Festival. Habt ihr schon irgendetwas hier gesehen?
BE: Wir haben das Meer gesehen. Und wir haben richtig große Kühe gesehen.

SJ: Die mit dem weichen Fell?

BE: Genau die. Das ist alles, was ich gesehen habe. Ich hatte bisher noch keine Zeit.

Wie gefällt euch denn die Atmosphäre hier, soweit ihr das beurteilen könnt bis jetzt?
SJ: Es ist ja nicht das erste Mal, das ich hier bin. Aber beim ersten Mal war ich ein bisschen geschockt von diesem Ort voller Lesben. Ich meine, es sind fast 4000 Lesben da. Ich war total paralysiert. Alle gucken! Es ist so, als würden alle herumlaufen und denken: „Frischfleisch!“

(alle lachen)

BE: Ja, genau! Diese lesbian burning eyes, sie sind überall und schauen dich an! Und du denkst so: „Alles wird gut, nur die Ruhe“ und dann gehst du so um die Ecke und Waaaaaahh… da sind sie schon wieder! (alle lachen) Das ist ziemlich cool, oder nicht? Es ist so cool, dass das hier passiert. Es ist nicht immer einfach, einen Ort nur für Lesben zu finden oder ein lesbisches Publikum oder Szene oder was auch immer. Und hier kannst du einfach reinspringen und es genießen.

SJ: Es ist wie im Lesbenland.

Aber kennt ihr das auch: Man läuft so durch die Stadt, sieht andere Lesben fängt und an zu kichern, weil man so denkt: „Oh hallo, du etwa auch..?“ Und als ich dann aber gestern hier ankam, habe ich mich anfangs so unwohl gefühlt, weil hier überall Lesben waren. Meine Freund_innen und ich konnten gar nicht mehr aufhören zu kichern und wir haben gesagt: „Wir müssen sofort damit aufhören, sonst werden wir zwei Tage am Stück herumkichern.“
(alle lachen)

BE: Aber das ist doch toll!

Aber es ist auch etwas einschüchternd. Ich laufe so herum und frage mich: „Schaue ich jetzt zu lange hin? Oder schaue ich gar zu kurz hin?“ Ich musste mich erst daran gewöhnen.
SJ: Das ging mir genauso.

BE: Ich wusste gar nicht, dass es das L-Beach gab, bis ich von ihnen gebucht wurde. Ich hätte mal früher etwas darüber wissen sollen. Es wäre bestimmt toll, hier hin als Besucherin zu gehen. Ich schaue einfach, wo ich heute noch lande…

Steffi, das ist schon der dritte Auftritt auf dem L-Beach für dich. Beatrice, für dich ist es das erste Mal, dass du überhaupt in Deutschland spielst. Wird es mehr Konzerte von dir hier geben?
BE: Ja, nächsten Monat werde ich in Berlin auf dem Berlin Festival spielen. Ist dort ein guter Vibe oder ist es sehr steif? Sind da viele heterosexuelle Deutsche? (lacht) In Schweden habe ich in relativ kurzer Zeit eine große Fanbase gewonnen. Ich habe mein Album aufgenommen, ich wurde gebucht und plötzlich war jede Show irgendwann ausverkauft. Es kommen Lesben, Feminist_innen und auch Typen. Es ist toll. Alle kommen, um sich zu amüsieren. Sie tanzen, sie singen mit und wenn sie mit jemandem knutschen wollen, dann tun sie auch das. Das ist aber nicht typisch Schwedisch. Ich bin froh, ein Publikum zu haben, dass einen Platz sucht, an dem sie einfach sie selbst sein können.
Wie es in Deutschland ist, weiß ich nicht. In Berlin gibt es ja vielmehr verschiedene Szenen. Die Kunstszene, die elektronische Szene, die queere Szene. Ich kann mir vorstellen, dass es großartig sein muss, in Berlin zu spielen, wenn die richtigen Leute kommen.

Wo spielst du denn besonders gerne, Steffi?
SJ: Berlin ist wirklich gut. Wir hatten gerade dort ein Release-Konzert für unser Album. Und gleich spielen wir ja auch hier. Ich spiele Bass, ich singe und habe zwei bärtige Typen dabei. Es ist Punk, elektronisch und auch Neue Deutsche Welle.

Glaubst du, dass du ein bestimmtes Publikum hast? Eher eine lesbische Fanbase oder mehr so Elektro-Leute?
SJ: Ich glaube, es ist wie bei Beatrice. Es kommen alle möglichen Arten von Leuten. Es ist sehr schön, dass es so gemischt ist und die Leute wegen der Musik kommen.

BE: Wenn wir über lesbische Künstler_innen nachdenken ist es oft so, dass wir auch denken, dass sie ein lesbisches Publikum haben. Wenn du öffentlich lesbisch bist, ist es schwer. Du wirst nur für bestimmte (lesbische) Konzerte gebucht und sonst bucht dich niemand. Aber in Schweden ist es zumindest nicht so. Das war lange so, dass wenn du lesbisch warst, du nur bestimmte Fans hattest, die dich gemocht haben, aber glücklicherweise ist das nicht mehr so.
Lesbische Frauen sollten ja auch überall sein. Wir sollten nicht nur in unserer eigenen Szene bleiben, sondern auch andere Szenen übernehmen, auch heterosexuelle Szenen.

Das ist ein gutes Schlusswort. Vielen Dank und habt noch einen schönen Abend hier auf dem L-Beach!

Beatrice, Steffi und Julia nach dem Interview (Bild: privat von Julia Martin)
Beatrice Eli, Steffi Jakobs und Julia Martin nach dem Interview (Bild: privat von Julia Martin)