Von Sonja Eismann

Lorrie Moore ist eine sparsame Autorin: In 30 Jahren hat es die 1957 im Bundesstaat New York geborene Autorin gerade mal auf drei Romane und fünf Kurzgeschichtensammlungen gebracht. Doch ihr Umgang mit Sprache ist verschwenderisch: nicht im Sinne von blumig oder ausschweifend, sondern in seiner Detailversessenheit, seiner Kaskaden von Wortwitzen, seiner unermüdlichen Arbeit an den Sätzen, die wie Peitschenschläge punktgenau auf dem wunden Punkt niedergehen.

Moore gilt in den USA als humoristische Autorin, doch David Gates von der New York Times weiß, dass sie keine Komikerin, sondern vielmehr eine Anatomistin des Komischen ist. Dieser Befund wird auch in ihrer 2014 in den USA erschienenen, nun auf Deutsch vorliegenden neuen Kurzgeschichtensammlung bestätigt, wo neben einer überquellenden Sprach-Gagdichte in einem immerwährenden, schnoddrig-sarkastischen Ironie-Paradigma stets auch das abgrundtief Traurige, der Tod präsent sind. Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklungen der letzten Jahre – Irakkrieg, Abu Ghraib, Wahlkampf von Obama (der hier „Brocko“ heißt) – kämpfen bildungsbürgerliche Durchschnittsmenschen in Durchschnittsunistädten mit der Midlife Crisis, ihren Kindern bzw. denen der neuen Partnerin, dem Zerfall der Ehe, dem finanziellen Ruin.

produkt-2283 Lorrie Moore „Danke, dass ich kommen durfte“
Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert. Berlin Verlag, 208 S., 19,99 Euro. Erscheint am 11. Mai 2015.

Der Humor der Figuren ist ätzend und transgressiv, dabei aber ganz nüchtern vorgebracht: da beschwert sich ein wohlsituierter mittelalter Katholik, dass er als Kind „wohl nicht süß genug gewesen sei, um von einem Priester belästigt zu werden“. Sein frisch geschiedener Freund ist entzückt von der nymphengleichen Nacktheit seiner neuen Affäre, muss jedoch zugeben, dass sie, sobald er im Schlafzimmer die Brille abgenommen hatte, „ebenso gut Dick Cheney hätte sein können“. Eine Frau, die noch nicht weiß, dass sie nach 20 Ehejahren bald für eine andere verlassen werden wird, wundert sich darüber, wie ihr Mann sie monatelang ignoriert, um ihr dann unvermittelt ein „Hey, Süße“ zuzurufen: „Es kam ihr vor, als wäre sie mit einem dementen Onkel irgendwo eingeschneit: War die Ehe wirklich so gemeint? Sie war sich nicht sicher.“ Dieses Witz-Staccato, das mit immer neuen, immer überdrehteren Einfällen aufwartet, kann an manchen Stellen der Lektüre den Atem nehmen wie eine originelle, kluge Gesprächspartnerin auf einer Partnerin, der gegenüber man sich verblödet und langweilig fühlt und sich fragt: „Ist die immer so?“ Doch gegen Ende der Sammlung tritt das Lustigkeitsfeuerwerk in den Hintergrund und man schätzt diese handwerklich perfekt gedrechselten Texte nicht nur für ihre grandiose Albernheit, sondern vor allem auch für die extrem genau beobachte, lebhafte Zeichnung der ProtagonistInnen – mit all ihrem schneidenden Witz und ihrer dumpfen Melancholie.