Von Lisa Marie-Davies

Es ist nur ein kleiner Flug für die Drohne, mit einem allerdings großen Effekt für einige Frauen in Polen, denen dieses Fluggerät den dort noch immer verbotenen Schwangerschaftsabbruch ermöglichen soll. Denn bestückt wird die Drohne mit Abtreibungspillen sein, die sie von Frankfurt (Oder) nach Słubice transportiert.

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Bild: Women on Waves

Initiiert wurde die Aktion von Rebecca Gomperts, Gründerin der „Women on Waves“. Unterstützt wird sie von vielen Frauenorganisationen. Eine der beteiligten Gruppen ist „Ciocia Basia“, die sich vor rund drei Monaten gegründet hat. Sarah Diehl, die gerade ihr Buch „Die Uhr, die nicht tickt“ veröffentlicht hat, ist eine der aktiven Frauen.

MISSY: Mit der Aktion helfen Sie den Frauen in Słubice. Gleichzeitig schaffen Sie damit auch ziemlich viel Öffentlichkeit, oder?
Sarah Diehl: Ja, das wollten wir auch. Wir wollen so aufzeigen, wie absurd die Abtreibungspolitik in Polen ist. Es haben sich auch schon einige Abtreibungsgegner_innen angekündigt. Sie haben geschrieben, dass sie die Drohne abschießen wollen. Mit denen ist es immer hässlich. Deshalb wurde auch vorgesorgt und „Women on Waves“ hat die Pressemitteilung zur Aktion erst ein paar Tage vorher rausgegeben.

Wie sieht denn die Abtreibungspolitik in Polen aus?
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Polen erst einmal gesetzlich verboten. Es gibt einige Ausnahmen unter denen ein Abbruch rechtlich möglich wäre, etwa bei einer Vergewaltigung oder wenn der Fötus schwerst beeinträchtigt ist. Da Schwangerschaftsabbrüche aber so verpönt sind, gibt es auch in solchen Fällen kaum Ärzte, die sie durchführen. Für die Frauen ist das sehr bitter. Insbesondere arme Frauen leiden sehr unter der Gesetzgebung und können sich auch keinen illegalen Abbruch leisten. Diese Illegalität ist ein Klassenproblem.

Seit wann ist die Abtreibung in Polen denn illegal?
Seit Mitte der 1990er Jahre. Die polnische Regierung hat das Verbot auch inszeniert, um zu zeigen, dass der Katholizismus mitsamt seinen konservativen Familienwerten nun die neue nationale Identität darstellt – als Zeichen gegen ihre kommunistische Vergangenheit.

Ihre Gruppe „Ciocia Basia“ hilft Frauen in Polen nach Deutschland zu kommen und hier den Schwangerschaftsabbruch zu machen. Wie machen Sie das?
Wir haben ein gutes Netzwerk aufgebaut. So können wir bei den organisatorischen Sachen helfen, etwa bei den Beratungsgesprächen. Ausserdem arbeiten wir mit GynäkologInnen zusammen, die den Schwangerschaftsabbruch machen und dafür nur wenig Geld nehmen. Nur so ist das möglich. Gleichzeitig sind wir auf Übersetzerinnen angewiesen und haben die Möglichkeit, die Frauen privat unterzubringen.

Wie ist denn die Resonanz auf Ihre Arbeit?
Gut. Wir haben durchschnittlich jede Woche eine Anfrage. Oft benötigen die Frauen nur Unterstützung und Beratung. Aber neun Frauen sind schon nach Berlin gekommen. Wir gehen davon aus, dass es immer mehr werden, wenn das Projekt erst einmal bekannter geworden ist, denn der Bedarf ist da. Wichtig ist dabei zu wissen, dass viele Frauen, die Schwangerschaftsabbrüche haben wollen, bereits Kinder haben und das Beste für sie wollen. Dies wiederum macht die Organisation umso schwieriger, wenn sie nach Berlin kommen müssen.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Wir wollen noch viel mehr Frauen erreichen. Unser Wunsch ist es, dass wir nach Polen fahren und da beispielsweise Aufkleber und Flyer verteilen und so über unsere Arbeit informieren. So sollen auch Frauen im ländlichen Gebiet, die wenig finanzielle Ressourcen haben, angesprochen werden. Auch sind wir schon gut vernetzt, wollen das aber auch ausbauen.

Wie sind Sie auf den Namen „Ciocia Basia“ gekommen?
Übersetzt aus dem Polnischen bedeutet der Name „Tante Barbara“. Damit knüpfen wir an viele „Safe Abortion Hotlines“ an, die ähnliche Namen haben und die es in vielen Ländern gibt, in denen Abtreibung illegal ist. Wir wollen so etwas sein wie Tanten, mit denen man reden kann und denen man sich anvertrauen kann. Wir wollen vermitteln, dass wir da sind, wenn die Frauen alleine gelassen werden und nicht wissen wohin.

Was bedeutet Ihnen persönlich diese Arbeit?
Bereits bei den Arbeiten zu meinem Film „Abortion Democracy – Poland/South Africa“ habe ich mich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch in Polen auseinandergesetzt und bin seitdem da dran, mache Vorträge zum Thema etc. Aber es hat mich immer gestört, keine praktische Hilfe zu leisten. Deshalb bin ich froh, jetzt mit fünf Frauen und vielen Unterstützerinnen zusammenzuarbeiten und es den Frauen in Polen zu ermöglichen, nach Berlin zu kommen und hier den Schwangerschaftsabbruch zu machen. Das ist eine tolle Arbeit. Es tut gut, so viel Frauensolidarität zu spüren und sich gegenseitig zu helfen, auch international. Und letztendlich retten wir auch Leben. Denn die Frauen, die keine Hilfe bekommen, schlucken immer noch Bleichmittel und andere Gifte, oder versuchen den Abbruch mit Stricknadeln einzuleiten.

Die Aktion wird organisiert von „Women on Waves“, „Cocia Basia“, der „Feminteka Foundation“ aus Warschau und dem polnischen Kollektiv „Porozumienie kobiet 8 marca“. Die Drohne startet am 27.6. um 11 Uhr von Am Winterhafen in Frankfurt an der Oder nach Słubice. Dort wird es auch eine Pressekonferenz geben. Der genaue Ort wird Freitag Abend bekannt gegeben.