Von Susanne Gietl
MISSY: Ist es wahr, dass Sie eigentlich Schlagzeugerin und nicht Flötistin werden wollten?
La Berge: Ja, ich trage viel Schlagzeugergeist in mir und es gab nicht viel davon in der Flötentradition, so dass ich eine Möglichkeit finden musste, all das miteinander zu kombinieren.

Anne La Berge
Foto: Anja Conrad

Mit dem Schlagzeug kann man starke Emotionen ganz gut umsetzen, finde ich, aber mit der Flöte?
Ich suche immer noch. Immer wenn ich sie in die Hand nehme, finde ich Möglichkeiten, um mich körperlich auszudrücken und Kraft in einem Instrument zu finden, die es von seiner Geschichte her nicht hat. Ich mache das mit Elektronik, mit Verstärker. Beim Aufwärmen untersuche ich, welche kraftvollen Töne in der Flöte stecken und ich versuche bei meinen Kompositionen oder Improvisationen etwas zu sagen, das der Flöte widerspricht.

Sie präsentierten „Utter“ auf dem „Heroines of Sound“-Festival. Während Ihre Flöte ungewohnte Geräusche von sich gibt, erzählen Sie auf einer Leinwand in Worten und Bildern die Geschichte eines Kindes und seiner Mutter. Worum geht es in „Utter“?
„Utter“ basiert auf den Anfängen der Sprache. Und auch wie wir sprechen und als Mensch Geräusche von uns geben. Wenn wir dann sprechen, sprechen wir zu viel. Es geht auch um den Prozess des Erwachsenwerdens. Ein Kind wird versuchen, seine Eltern und seine eigene Stimme zum Schweigen zu bringen. Ich hoffe, dass diese Überlagerung von Eindrücken auf der Bühne diesen Kampf mit der Geburt und der Entwicklung gut erzählt, aber auch dieses Ringen nach den richtigen Tönen um sich auszudrücken.

„Utter“ ist auch eine sehr weibliche Geschichte über eine arbeitende Mutter, die ein zwiespältiges Verhältnis zu ihrem Kind hat. Sie sind miteinander verbunden, aber es ist auch eine Last für sie.
Ja. Ich habe so lange darüber hinweggesehen, dass ich eine Frau bin. Als meine CD „Speak“ 2011 herauskam, wurde sie von der Zeitschrift „The Wire“ als feministische CD kritisiert. Das erste Stück handelte von der Menopause, die ich zu dem Zeitpunkt noch nicht mal erlebt hatte, das zweite vom Syndrom des gebrochenen Herzens und eines handelte von Madame Curie, einer arbeitenden Frau, die sich selbst durch ihre Arbeit zerstört, weil sie sie so sehr liebt, dass sie dadurch stirbt. Jedes Stück hat etwas damit zu tun, eine Frau zu sein und damit zu kämpfen fest auf beiden Beinen zu stehen und herauszuschreien, was das heißt.

Auf dem Festival gab es eine Diskussion darüber, ob es eine Geschichte der Pionierinnen der elektronischen Musik geben sollte. Sollte es eine geben?
Ich denke, man sollte eine klare Liste machen und diese dann mit der Liste der Männer zusammenfügen. Als ich in Holland die Musikervereinigung von Frauen besuchte, brach ich in Tränen aus. „Was machen Sie? Wo gibt es Vorbilder für mich?“ Sie erstellten nur eine Liste von toten Komponistinnen in Holland. Wir brauchen beides. Deshalb habe ich in Holland eine Liste weiblicher Komponistinnen erstellt, um bei Festivalanfragen immer darauf zugreifen zu können. Wir brauchen eine saubere und klare Datenbank. Das wird uns helfen.

Wie sieht Ihre Zukunft aus?
Ich arbeite intensiv an meinen Synthesizingskills und halte an der Flöte fest. Ein ehemaliger Kollege kam gestern auf mich zu und sagte, dass ich ein guter Opener für DJs sein könnte. Da dachte ich: „Ja klar, gerne. Ich trage meine Boots, mein schwarzes Kleid, meine grauen Haare und meine Sounds immer mit mir.“