Von Martin Licht

Mit Prince ist ein Teil meines Lebens gestorben – ein ziemlich blöder Satz, vor allem, wenn ich ihn schreibe, ohne jemals ein richtig Fan gewesen zu sein, der ihn kein einziges Mal live gesehen hat. Aber doch stimmt es, denn Prince war mit seiner Genderfluidität ein wichtiges Vorbild für mich, als Dragking und auch als Transmann.

© Flickr/Scott Penner/CC BY-SA 2.0
© Flickr/Scott Penner/CC BY-SA 2.0

In den 1970er und 1980er Jahre gender-shiftete es heftig auf den Bühnen der Rock- und Popmusik. Mick Jagger und David Bowie, Laurie Anderson, Annie Lennox, Pattie Smith, Lou Reed – die einen entwickelten bewusst einen exzentrischen Bühnenstil, die anderen scherten sich einfach nicht so sehr darum, den Geschlechtsrollen-Klischees zu entsprechen.

Und dann kam Ende der 1970er Jahre ein Neuer dazu, ein Frecher, ein Unerhörter. Prince Rogers Nelson, kurz: Prince, ging mir sofort in Herz und Hose, mit seiner Musik ebenso wie mit seiner Erscheinung. Seine Androgynität unterschied sich fundamental von der vieler anderer Rock- und Popstars: Weder war sein Auftreten einfach extravagante Show oder Marketingkalkül, noch ein Gleichgültigkeits-Statement. Vielmehr trug hier einer sein Inneres nach Außen, nicht nur musikalisch, sondern auch durch die Überschreitung der Geschlechternormen in Bewegung, Gesangsstil und natürlich auch Kleidung.

Nackt jedoch wurde noch deutlicher, dass er die Normen nicht nur überschritt, um zu provozieren, sondern sie vielmehr auflöste und aus den bleibenden Atomen Neues schuf. Seine frühen Plattencover zeigen: Dieser Prinz braucht keine neuen Kleider, um sich zu offenbaren. Er strahlte Männlichkeit aus ebenso wie Weiblichkeit, sein Körper erschien zart und stark zugleich, viril, lasziv, verführerisch, selbstbewusst, selbstbestimmt. In seiner Kleiderwahl bevorzugte er stets Stoffe, Farben, Muster und Schnitte, die in unserer binären heteronormativen Welt als feminin kodiert sind. Und doch wirkte er, im Gegensatz zu Mick Jagger oder Freddy Mercury, nie wie eine Dragqueen und war nie eine Kunstfigur wie Conchita Wurst. Seine Kleiderwahl sagte: „Das bin ich, so bin ich.“ Prince transzendierte die angeblichen Gegensätze unserer konstruierten Geschlechter und war dabei immer authentisch.

Martin Licht hat 2008 mit seiner Transition als Transmann begonnen und ist Autor von „TM-Brevier. Das Handbuch für Transmänner“. Seit 2015 setzt er sich in Männergruppen intensiver mit Rollenerwartungen und männlicher Identität auseinander.

Wie wichtig ihm Weiblichkeit persönlich und auch generell war, wird auch daran deutlich, dass er von Anfang an Musikerinnen intensiv gefördert hat, von Sheila E. in den 1980er Jahren bis zu Andy Allo in den letzten 5 Jahren. Konsequent besetzte er die prominenten Jobs in seinen Bands – Drums, Gitarre und Bass – mit Frauen. Seine letzte Band, 3rdeyegirl, war eine reine Frauenband. Das sind alles keine Selbstverständlichkeiten im Musikgeschäft, wo die Jungs immer noch am liebsten mit anderen Jungs klüngeln und Frauen lieber als Dekoration, als Tänzerin und Backgroundsängerin sehen.

Schon Anfang 80er Jahren engagiert Prince eine Frau als Tontechnikerin, Susan Rogers; zu einer Zeit, zu der stets behauptet wurde, es gäbe einfach keine Frauen in diesem Beruf. Sie verantwortete etliche Jahre seine seine Aufnahme- und Produktionstechnik.

In meiner Bühnenzeit als Dragking war Prince eine wichtige Inspirationsquelle. Der durchschnittliche Dragking der 90er- und Nullerjahre produzierte die übertriebene Darstellung des gängigen Machorepertoires, aber irgendwie fand ich das langweilig und so setzte ich auf die etwas verwirrende Erotik des Gendermixes in meinen kleinen Showeinlagen – und fühlte mich damit wunderbar eins und vollständig. Die Bühnensachen waren viel Spass, aber noch wichtiger war und ist für mich Prince als Rollenvorbild einer lebbaren Maskulinität jenseits stereotyper Normen. Gerne lasse ich seinen Purple Rain auf mich niederprasseln und mich reinigen von den klebrigen Klischees unserer binären Geschlechterordnung.