Von Anna Mayrhauser

„Ich hasse Max Frisch.“ „Männer erklären die Welt, Frauen schreiben über ihre Depressionen.“ „Männliche Schriftsteller haben immer Groupies, auch wenn sie hässlich sind.“ Der Dokumentarfilm des Regieduos „Böller und Brot“, bestehend aus Wiltrud Baier und Sigrun Köhler, läuft gerade mal 15 Minuten, da sind die tollsten Sätze schon gefallen.

Bild 01 Zentralmotiv. Sibylle Berg und Drohne
Die Schriftstellerin findet Drohnen eher nervig, posiert aber trotzdem mit einer. © Zorro Film

Ein Jahr lang haben die Regisseurinnen die Schriftstellerin Sibylle Berg begleitet – sie in ihrer Wohnung in der Schweiz besucht, sich ihren Lieblingswanderweg zeigen lassen, sie bei den Proben zu ihrem Theaterstück „Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen“ in Berlin begleitet, sich – etwas abwegiger – an einem Forschungsinstitut verschiedene Pilzerkrankungen der menschlichen Haut zeigen lassen und in L.A. gemeinsam eine Lautner-Villa besichtig, Sibylle Bergs Traumhaus. Dabei nennt Berg ihre Begleiterinnen manchmal zärtlich „Doku-Schlampen“ und fragt: „Haben wir jetzt alles besprochen?“

Eigentlich nicht, denn Wiltrud Baier und Sigrun Köhler lassen Sybille Berg zwar klassisch dokumentarisch von ihrem Leben erzählen, ein bisschen von der DDR, in der sie aufgewachsen ist, ein bisschen von ihrer ersten Zeit in Westberlin und wie sie von dort eigentlich nur schnell woanders hin wollte. Von der Clownschule in der Schweiz, die sie dann besuchte, ein bisschen darüber, wie sie zum Schreiben kam und von ihrem Lebensunglück sich trotz erfolgreichem Schriftstellerinnen-Dasein kein Architektenhäuschen in der Schweiz leisten zu können. Ein bisschen über ihren Twitter-Auftritt. Privates kommt kaum zur Sprache. Dafür erzählt Berg, wie sie als Fünfjährige Edgar Allan Poe las.

BERGposterZürichWebGroß Kopie „Wer hat Angst vor Sibylle Berg“ D 2015
Regie: Wiltrud Baier und Sigrun Köhler
84 Min., Start: 28.04.

Auf vermeintlich dokumentarische Authentizität verzichten also alle drei – das wirkt in den nervigeren Momenten der Doku abgehoben kunstbetrieblerisch und in den besten wie das genaue Gegenteil davon. Denn „Wer hat Angst vor Sibylle Berg“ ist durchdrungen von der Suche nach der richtigen Pose, die eine Autorin für so ein Künstlerinnenporträt einnehmen sollte. Und erzählt damit mehr über die Stilisierung von Autorinnen im Literaturbetrieb, als es auf den ersten Blick scheint. Wenn Berg auf dem Sofa die richtige Sitzposition sucht, während sie erzählt. Wenn sie vorführt, wie gelenkig sie immer noch ist und im Schneidersitz zeigt wie hoch sie mit ihrem Fuß kommt – fast bis hinter dem Kopf. „Das würde man gerne mal bei Günter Grass sehen“, sagt sie dann.