Von Simone Bauer

Anfang Mai startete der Verkauf von „SailorMoonGerman – Das Magazin“ auf der Hanami, einer Convention im beschaulichen Ludwigshafen. Doch warum fließt noch immer so viel Herzblut in ein Fanzine zu einem japanischen Serienstoff, der 1991 zum ersten Mal gezeigt wurde? Man kann hier von den unterschiedlichen Sailorkriegerinnen, ihren Stärken und Schwächen sprechen. Für mich zählen aber nur zwei Hauptcharaktere, die man einfach sonst nicht im Mainstream findet. Die Rede ist von Michiru Kaioh, Sailor Neptune, Haare wie ein aufgewühltes Meer, die einen Kellner schon mal umständlich eine Flasche Wein öffnen lässt, nur um ihm dann eine Millisekunde vor dem Ausschank mitzuteilen, dass sie eigentlich keinen Wein möchte. Und die Liebe ihres Lebens, Haruka Tenoh, Sailor Uranus, eine große, burschikose Athletin, die man nur nach ihrer Verwandlung im Rock sehen wird, und zwar auch nur deswegen, weil man als „Magical Girl“ nichts an seinem Kostüm ändern kann.

Haruka und Michiru
Haruka und Michiru, published by VIZ Media Switzerland SA (German Version) // „Pretty Guardian Sailor Moon (Crystal)“ © Naoko Takeuchi/PNP., Toei Animation, Kodansha

Sie sind Kriegerinnen des Äußeren Sonnensystems – wesentlich älter als die „Inners“, die Sailor Moon, alias Usagi „Bunny“ Tsukino, beschützen sollen. Die Outers sind dafür da, die Erde vor Eindringlingen zu beschützen – sie sind dafür konzipiert worden, als Erste in der Schlacht draufzugehen. Darum treffen sie die harten Entscheidungen, stellen das Schicksal einzelner Menschen vor das Überleben der gesamten Menschheit. Doch die Rettung der Erde ist nicht wirklich Michirus Motivation, sich in dunkelgrüne Ballettschuhe zu werfen und ein paar Ärsche zu treten. Sie sagt es selbst in einem niemals in Deutschland ausgestrahlten Special: „Eine Welt ohne Haruka lohnt es nicht, zu retten.“

„Sailor Moon“ wurde einst von Naoko Takeuchi erdacht, doch während diese mit der Produktion des Mangas beschäftigt war, schnappte sich das zuständige Animationsstudio die Charaktere und ließ diese 200 Episoden, drei Specials und drei Filme lang machen, was Naoko nicht immer wollte. Das große Böse, das am Schluss zu bekämpfen ist, blieb gleich. Was im Manga auf zwölf Bände inklusive Kurzgeschichtensammlung limitierte wurde, bat im Fernsehen mehr Zeit für „Dämon der Woche“-Folgen, die den Charme der originalen Animeserie ausmachen, da sich verschiedene Figuren unterschiedlich entwickeln und annähern können. Revolutionär alleine, dass man Anfang der Neunziger ein bestätigtes lesbisches Pärchen in einer „Kinderserie“ fand, doch umso unvergleichlicher die Femme/Butch-Zuordnung.

Die Sailor-Kriegerinnen und Tuxedo Mask, published by VIZ Media Switzerland SA (German Version) // „Pretty Guardian Sailor Moon (Crystal)“ © Naoko Takeuchi/PNP., Toei Animation, Kodansha
Die Sailor-Kriegerinnen und Tuxedo Mask, published by VIZ Media Switzerland SA (German Version) // „Pretty Guardian Sailor Moon (Crystal)“ © Naoko Takeuchi/PNP., Toei Animation, Kodansha

Es ist ihre Dynamik, die einen sofort packt. Ursprünglich konzipiert als „Haruka ist das Licht, Michiru der Schatten“, kann man es am besten so ausdrücken: Die Blonde ist sanft, sich um ihre Mitmenschen sorgend, selbst, wenn sie es nie zugäbe, um sich selbst zu schützen. Michiru trägt nicht nur hübsche Seidenhandschuhe und ermutigt Usagi zum Lernen der Violine. Sie ist auch kalt, kalkulierend, so geworden, weil sie ziemlich sicher aus gutem Haus ist und bereits früh jede Nacht von Albträumen zum Ende der Welt heimgesucht wurde und diese als Künstlerin zur Leinwand brachte. Noch dazu erwachte Neptune in ihr aus eigener Kraft, sie benötigte keine sprechende Katze dafür, wie Sailor Venus und Sailor Moon, die erst durch ihre Haustiere auf ihre neue Identität hingewiesen werden mussten. Ein Paradebeispiel ist die Episode „Erste Begegnung“, in der sich Haruka noch vertut, Michiru einzuschätzen. Michiru, die von der Ferne Haruka lange beobachtet hat – im Wunsch, nicht mehr alleine das Böse zu bekämpfen, und gleichzeitig mit der Sehnsucht, Haruka vor dieser Realität zu beschützen.

Alles, was man auf den ersten Blick von ihnen erwartet, wird also schnell umgestülpt, wenn man sich nur auf die beiden einlässt. Haruka flirtet zum Beispiel rege mit den jungen Mädchen, doch würde sie jemals den nächsten Schritt wagen? Ganz sicher nicht, so spürt man auch Michirus Wut und Eifersucht in der Episode „Bunnys Geburtstag“. Es ist Harukas Unsicherheit, ihre Verletzlichkeit. Sie braucht die Bewunderung, zumindest in diesen jungen Jahren noch. Und sie muss gleichzeitig von Michiru gepusht werden, harte Entscheidungen zu treffen. Wir sehen es in „Wer ist Haruka?“, ihrem Debüt, als sie als Erste zu einem verletzten Zivilisten rennen möchte und Michiru zurückgehalten wird.

Die Folge 110, „Die Talismane“, wird in Fankreisen nur sch(m)erzhaft „Yuri Hell“ genannt (Yuri sind Mangas, die sich um lesbische Mädchen drehen). Regisseur Kunihiko Ikuhara, der später für „Revolutionary Girl Utena“, ein Meisterstück des Yurigenres, verantwortlich war, packte diese Folge randvoll mit Symboliken. Wer zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass die beiden vielleicht noch nicht offiziell zusammen sind, aber einander lieben, weiß es spätestens nach dieser Episode. Und: Viele Lesben geben dies als ihren persönlichen Coming-out-Moment in der Jugend an. Denn es ist Michirus – nicht Neptunes! – wahnsinnige Liebe, mit der sie sich zwischen Pfeile wirft und immer wieder Haruka davor beschützen möchte, zu sterben. Sie scheitert. Es kommt einem wie eine Ewigkeit vor, in der man in Harukas erschrockenes Gesicht starrt. Wenig später tötet sie sich selbst. Es wird nicht ihre einzige Begegnung mit dem Tod bleiben. Talismane lösen sich aus ihren Herzen – Spiegel und Schwert, nur für die Träger des reinen Herzens vorenthalten, welche sie niemals in sich selbst vermutet hätten.

Sailor Neptune und Sailor Moon, published by VIZ Media Switzerland SA (German Version) // „Pretty Guardian Sailor Moon (Crystal)“ © Naoko Takeuchi/PNP., Toei Animation, Kodansha
Sailor Neptune und Sailor Moon, published by VIZ Media Switzerland SA (German Version) // „Pretty Guardian Sailor Moon (Crystal)“ © Naoko Takeuchi/PNP., Toei Animation, Kodansha

Im Finale der dritten Staffel fahren sie gemeinsam am glitzernden Meer vorbei, in Harukas geliebtem Cabrio. Es ist eine Parallele zum Ende der Episode „Erste Begegnung“, auch hier brausen sie am Wasser entlang, nur damals noch nicht gelöst flirtend. Wir treffen das Paar in der fünften Staffel wieder. Unter fadenscheinigem Vorgehen adoptieren sie nicht ganz richtlinienkonform zusammen mit der Wächterin von Raum und Zeit, Sailor Pluto, die kleine Hotaru. Einst wollten sie Hotaru noch umbringen, bevor diese als Sailor Saturn erwachen konnte, um der Welt die „Stille“ zu bringen, jetzt lieben sie sie wie ihre eigene Tochter. Die beiden sind entspannter – Haruka sagt es selbst, sie vertraut Michiru. Sexanspielungen nehmen ihren Lauf. Und Michiru widerlegt einmal mehr den Ruf der unterworfenen „Jungfrau in Nöten“-Femme, in dem sie Haruka vor einem Absturz vom Hochhaus bewahrt.

SMGMagazin„SailorMoonGerman – Das Magazin“
Vom 11. bis 12. Juni erhältlich auf der Wie.MAI.KAI in Flörsheim (bei Mainz) oder per presse@sailormoongerman.com

Das Klischee, dass die Lesben zum Schluss immer tot sein müssen, bestätigt sich im 1997er Finale nicht, denn zum einen sterben sie als letzte in der Mannschaft, zum anderen sterben sie miteinander, Hand in Hand. Zuvor scheinen sie die Seiten gewechselt haben – sehr zum Schock der anderen kämpfen sie jetzt augenscheinlich für die mächtig böse Galaxia. Ein Trick: Jeder Satz, jede Handlung ist sorgfältig instrumentiert – Michiru hält mit ihren Kommentaren Haruka bei der Stange, diese versucht unbemerkt, Usagi mehr Zeit zu verschaffen, eine Lösung gegen Galaxia zu finden. Sie scheitern – und es bricht die herzensgute Haruka, das wiederum bricht Michiru. Sie werden einmal mehr wieder zum Leben erweckt und gucken gemeinsam mit ihrer gefundenen Familie zum Sternenhimmel auf.

Wer nach alldem in der dritten Staffel von „Sailor Moon Crystal“, derzeit laufend in Japan, sucht, wird ziemlich enttäuscht werden. Es sind letztlich zwei verschiedene Geschichten, da sich „Sailor Moon Crystal“ an den Ereignisse des Mangas orientiert. Doch zum Glück gab es zwischen 1993 und 2005 auch „Sailor Moon“-Musicals, die inzwischen mit einem All-Women-Cast widerbelebt wurden im Stile der Takarazuka Revue, eine japanische Institution seit 1913. Und in den sogenannten „Sera Myus“ kamen „HaruMichi“-Fans voll auf ihre Kosten. Speziell die Schauspielerinnen Yuuka Asami als Neptune und Nao Takagi als Uranus schmachten sich an, was das Zeug hält, bekamen eigens den Song „Destined Couple“ komponiert – und gaben sich sehr zur Freude aller auch einen Kuss.

Dieses Zusammenspiel von Haruka und Michiru macht ihren Reiz aus. Klar, zwischendurch müssen sich die beiden nicht nur dem Bösen stellen, sondern auch homofeindlichen Kommentaren. Aber alles in allem ist ihre Geschichte anders als die der sonst im Fernsehen dargestellten LGBT-Charaktere. Immerhin sind sie mit der Rettung der Erde vom Schicksal beauftragt worden. Manchmal frieren sie in Pastellfarben ein, Rosenblätter umwehen sie und harmonische Musik beginnt zu spielen. Vielleicht kann man das Herzblut so erklären.