Von Osia Katsidou

Im Jahre 1993 trat Lea DeLaria in der Arsenio Hall Show auf. Sie war mit diesem Auftritt ganz offiziell die erste offen-lesbische Komikerin im US-amerikanischen Fernsehen. Ihre Homosexualität und das Leben als Butch-Lesbe thematisierte sie in ihrer Comedy von Anfang an ohne Zurückhaltung – und das zur einer Zeit, in der LGBTQ-Rechte noch nicht in der Mainstream-Debatte Raum fanden.

Lea DeLaria als "Big Boo" in der Netflix-Serie "Orange Is The New Black" © JoJo Whilden/Netflix
Lea DeLaria als „Big Boo“ in der Netflix-Serie „Orange Is The New Black“ © JoJo Whilden/Netflix

Einem internationalen Publikum wurde DeLaria durch die Serie „Orange Is The New Black“ bekannt. Für ihre Rolle als Carrie „Big Boo“ Black erhielt sie 2015 einen „Screen Actors Guild Award“. Anfangs sollte Big Boo bloß eine kurzzeitige Nebenrolle einnehmen, doch mittlerweile gehört ihre Geschichte zum Haupterzählungsstrang im Comedy-Drama um das berüchtigte Frauengefängnis „Litchfield“.

Wir trafen DeLaria zur Europapremiere der vierten Staffel der Netflix-Hitserie, um mit ihr über ihre Comedy, das Butch-Dasein und die politische Situation für LGBTQ-Rechte in den USA zu sprechen.

MISSY: Wie haben sich die Reaktionen Ihres Publikums seit Ihren Comedy-Anfängen verändert?
Lea DeLaria: So ziemlich alles ist anders. Das Queer-Sein war zu der Zeit nicht so akzeptiert wie heute, vor allen Dingen nicht in der Stand-up-Comedy. Es ist im Grunde immer noch ein schwieriges Feld für Frauen insgesamt, weil wir von einer sehr sexistischen Branche reden. Es gibt dieses Vorurteil, dass Frauen nicht lustig sind, insbesondere lesbische Frauen. Aber es ist sehr viel besser geworden. Mein erster Fernsehauftritt bei Arsenio Hall ist über 20 Jahre her, damals musste ich noch richtig kämpfen, um diesen Gig zu bekommen. Und als ich auftrat, mochten sie nicht, dass ich mich Dyke-Lesbe nannte. Da waren Anwälte des Netzwerks, die drohten, die Sendung deshalb nicht zu zeigen. Ich musste damals richtig an die Grenze gehen. Die Industrie ist vorangekommen, es ist aktuell eine wirklich gute Zeit, um eine Frau im Unterhaltungsfeld zu sein. Wir dürfen plötzlich Drehbücher schreiben, Filme drehen und sie mit Frauen besetzen. Anfangs hatte ich ein ausschließlich homosexuelles Publikum. Das änderte sich leicht, nachdem ich am Broadway arbeitete. Aber mittlerweile ist es einfach wirklich jede*r. „Orange Is The New Black“ hat unfassbar vielfältige Zuschauer*innen.

Wie ist es für Sie, Big Boo in OITNB darzustellen? Was inspiriert, wie Sie sie spielen?
Die Rolle war anfangs ein ganz nebensächlicher Charakter, der für zwei Folgen geplant war. Als ich für „OITNB“ vorsprach, tat ich das damals für unterschiedliche Rollen und passte irgendwie nirgendwo rein. Jenji Kohan, die Schöpferin und Regisseurin der Serie, hat dann entschieden, Big Boo für mich quasi neu zu schaffen. Schließlich erzählen wir hier Geschichten aus einem Frauengefängnis, da sollte ein Charakter wie sie nicht fehlen. Daher ist meine Rolle, mehr als alle anderen, fiktionalisiert. Ich wurde früher häufig engagiert, um Charaktere zu spielen, die Themen lustig machen, die eigentlich sehr ernst sind. Heute ist das nicht so. Diese Serie hat einige der besten Drehbuchschreiber*innen in der Industrie. Ich muss da nicht viel von mir reinlegen, das Skript ist ein hinreichender Leitfaden.

Sie sind eine stolze Butch-Lesbe, haben das Wort auf Ihren Unterarm tätowiert. Was genau bedeutet diese Definition für Sie?
Ich würde sagen, dass ich es verkörpere und deshalb nicht wirklich definieren muss. Die „Cosmopolitan“ hat mich übrigens zum Vorbild für diese Kategorie gewählt. In einem Spektrum von Geschlechtern sind wir irgendwo Mitte-links. Wir brechen Geschlechternormen auf. Wir verhalten uns auf eine Weise, die traditionell als maskulin bezeichnet werden könnte. Zur gleichen Zeit verstehen gerade wir, dass Geschlechterkonzepte albern sind. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Geschlecht absolut out ist. Deshalb stört es mich auch nicht, wenn jemand mich „Sir“ nennt. Das passiert fast jeden Tag. Heute allein fast drei Mal. Ich lache da bloß drüber. Einer meiner Lieblingswitze, den ich schon seit Ewigkeiten erzähle, ist folgender: „Jeden Tag meines Lebens nennt irgendjemand mich ‘Sir’. Am schlimmsten ist es beim Gynäkologen.“

(Lea packt einen Miniventilator aus.)
Entschuldigen Sie bitte. Ich bin eine Frau eines bestimmten Alters und kriege manchmal Hitzewallungen. Dieses kleine Gerät hilft mir damit.

Kein Problem. Das sieht ganz cool aus.
Das ist es auch, es heißt sogar „O2Cool“. Ich kann darüber ja reden, schließlich spreche ich hier mit einem feministischen Magazin. Kein Mensch fasst das Thema Wechseljahre an und wenn, dann geht es immer darum, wie es Männer betrifft. Das nervt.

@ Evan Scott, Netflix
@ Evan Scott, Netflix

Es gibt diese Beleidigungskultur im Comedy-Bereich, vor allem in den USA. Komiker*innen werden häufig attackiert, weil sie sich nicht politisch korrekt geäußert haben. Haben Sie manchmal als lesbische Aktivistin und Komikerin deshalb einen Konflikt?
Ich denke, ich werde von der Kritik verschont, weil ich eben eine lesbische Aktivistin bin. Aber ich gerate auch schon mal mit der Political-Correctness-Polizei aneinander. Ihre Forderungen grenzen manchmal ans Lächerliche. Da gibt es zum Beispiel Feminist*innen, die wollen das Wort „woman“ abschaffen, weil darin das Wort „man“ enthalten ist. Wir halten uns mit solchen Debatten auf, anstatt uns um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern, darum, dass Menschen irgendwo vergewaltigt werden. Lasst uns Prioritäten setzen und uns um die „Wörter-Polizei“ später kümmern. Worte sind Symbole, wir müssen unsere Absichten hinter den Worten angehen.

Ich hab in einem anderen Interview gelesen, dass Sie dem Wort „Cunt“ (Fotze) eine positive Bedeutung verleihen möchten. Können Sie das erklären?
Ja! Verdammt! Es reicht langsam! Es nervt mich sehr, wenn Menschen das Wort in einem negativen Zusammenhang benutzen. „Sie war so eine Fotze.“ Dann sage ich immer: „Oh, dann muss sie ja eine sehr entzückende Person sein.“ Was ist entzückender als eine Cunt? Ich habe eine Gruppe von Freund*innen, unter denen das Wort immer im positiven Zusammenhang genutzt wird. Wir sagen es immer dann, wenn wir etwas mögen, zum Beispiel, wenn das Essen lecker ist: „Dieser Cheesecake war cunt!“ Ich hab mal einen Hashtag kreiert, #totescunt, der ging total ab auf Twitter.

Lassen Sie uns über was Politisches sprechen: Was, denken Sie, hat sich im Bereich LGBTQ-Rechte in den USA getan? Wenn man zum Beispiel bedenkt, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Amerika nun ein Grundrecht ist.
Erst würde ich gerne klarstellen, dass ich nie die Buchstabensuppe nutze. Für mich sind LGBTQ-Rechte Queer-Rechte. Ich verstehe den Inklusivitätsgedanken dahinter, denke aber, wir sollten uns mehr auf unsere Gemeinsamkeiten als auf unsere Unterschiede konzentrieren. Es gibt viel zu viele interne Kämpfe innerhalb der Queer-Community, die den Fortschritt aufhalten und Energie verschwenden. Wir sind nicht Feinde, wir stehen auf der gleichen Seite.
Ich war so begeistert nach der Grundrechtsentscheidung zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Nicht, weil ich eine große Vertreterin der Institution Ehe bin – auch wenn ich selbst nun verlobt bin und bald heiraten werde. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist eine große Sache, weil sie uns Menschlichkeit verleiht, weil wir durch sie zu Menschen werden, die lieben. Meine Verlobte und ich machen es aber queer, auf unsere Art. Ich nutze dazu gerne den Begriff „monogam-ish“.

„Orange Is The New Black“
Drehbuch, Regie, Produktion: Jenji Kohan
Staffel 4 läuft ab dem 17. Juni auf Netflix

Meinen Sie, die „Bathroom-Bill“ – also Gesetze, die in einigen US-Staaten Transpersonen verbieten wollen, die Toiletten für das Geschlecht zu nutzen, über das sie sich identifizieren – ist eine Reaktion der Konservativen auf die gleichgeschlechtliche Ehe?
Absolut, die zwei Dinge gehen Hand in Hand. Je mehr Rechte uns zugesprochen werden, desto stärker und rücksichtsloser werden Konservative kämpfen, um sie uns an anderer Stelle wegzunehmen. Nachdem die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert wurde, gab es in New York, wo ich lebe, ganz plötzlich einen Haufen Übergriffe gegenüber schwulen Männern. Das sind Phänomene, die von irren Konservativen ausgehen, von den Leuten, die Trump unterstützen. Der ganz rechte Rand, so richtige Arschlöcher also! Die sind verwirrt darüber, was Freiheit für Menschen anderer Sexualität oder Religion genau bedeutet.

Sie sind schon lange Unterstützerin von Hillary Clinton. Warum soll sie Präsidentin werden?
Als Allererstes was ganz Offensichtliches: Sie ist eine Frau! Amerika braucht eine Präsidentin. Ich unterstütze sie, weil sie politisch erfahren ist und weil sie unfassbar klug ist. Ich bin Feministin, also unterstütze ich eine Frau im Wahlkampf. Ich würde nicht irgendeine Frau wählen, aber die „richtige“ Frau bekommt immer meinen Support. Wir müssen als Demokrat*innen jetzt aber Einheit zeigen, auch Bernie Sanders und seine Anhänger*innen, damit wir diesem irren Faschistenarsch Trump entgegentreten können.