Von Jacinta Nandi

Das Buch „Bridget Jones’s Diary“ von Helen Fielding kam 1996 heraus. Ich war 16 Jahre alt und dachte, ich wäre Feministin. Ich habe mal mit meinem Mathelehrer richtig gestritten, weil ich auf den Umschlag meines Mathehefts ein Courtney-Love-Zitat geschmiert habe. „I don’t have a penis and I don’t want one.“ „Das musst du mit Aufklebern verdecken“, sagte er. „Das ist obszön.“ „Das ist nicht obszön“, sagte ich. „Das ist ein Courtney-Love-Zitat. Das ist voll feministisch gemeint. Courtney Love ist eine Feministin, und ich bin auch eine.“

 © STUDIOCANAL GMBH/ Universal Pictures
Feminist*in werden mit Bridget. © STUDIOCANAL GMBH/ Universal Pictures

Am Ende habe ich gewonnen. Mrs. Taylor, unsere Klassenlehrerin, hat entschieden, dass ein feministisches Zitat doch nicht obszön sein kann, und den Mathelehrer überstimmt. Nachdem sie das entschieden hatte, nahm ich einen Edding und kritzelte das Zitat auf meine Benetton-Tasche. Meine beste Freundin Dianne war auch feministisch drauf. Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, was „feministisch drauf sein“ für uns hieß, abgesehen von Courtney-Love-Zitate überall hinschmieren.

Dianne erzählte mir eines Tages am Schulhof von einem Buch namens „Bridget Jones“. Sie hat richtig davon geschwärmt. „Endlich gibt es ein Buch über eine wie mich! Eine, die Fehler macht! Eine, die zu spät kommt und zu dick ist!“ Ich war ein bisschen skeptisch, denn meine Freundin Dianne war ziemlich dünn. Aber sie hat mir das Buch ausgeliehen und ich habe mich dann doch sofort verliebt.

Ich habe mich nicht mit Bridget identifiziert – wie hätte ich das tun können? Sie war 32, ich war 16. Sie war nur acht Jahre jünger als meine Mama! Ihre Welt war nicht wie meine – echtes London, Café Rouge, Silk-Cut-Zigaretten, Singletons, emotional fuckwittage. Ich hatte bis dahin nur zweimal Zigaretten rauchen ausprobiert.

Aber das Buch war lustig. Deswegen liebte ich es. Und das ist es immer noch. Die Neujahrsvorsätze, mit denen das Buch anfängt, bringen mich immer noch zum Lachen, wenn ich wieder mal reinlese. Bridget Jones nahm sich vor, nicht mehr herumzujammern, weil sie keinen Freund hat. Aber nur als Taktik, um einen Freund zu kriegen:

„(I will not) Sulk about having no boyfriend, but develop inner poise and authority and sense of self as woman of substance, complete without boyfriend, as best way to obtain boyfriend.“ Jede Frau, die jemals dreißig und single gewesen ist, weiß, mit wie viel moralischer Kackscheiße dein Singlesein analysiert wird.

Bridget denkt auch drüber nach, eine Rentenversicherung abzuschließen: „poss start pension also.“ Jede*r, die*r diese Zeile liest, weiß, dass Bridget Jones nie eine Rentenversicherung abschließen wird. Das ist so eine schöne Zeile: „poss start pension also.“ Es gibt so viele Unsicherheiten in Bridgets Welt, in Bridgets Leben. Aber einen Mangel an Optimismus gibt es nicht. Nur an Planung.

Die Buchfigur Bridget Jones ist eine Feministin. Wahrscheinlich merken Menschen, die nur die Filme kennen, das nicht. Aber sie ist eine Feministin, auch wenn sie eine schlechte Feministin ist.  Als sie zum ersten Mal Mark Darcy begegnet, fragt er sie, was sie gerade liest. Sie liest gerade „Men are from Mars, Women are from Venus“, will das aber natürlich nicht zugeben. Also versucht sie so zu tun, als ob sie gerade Susan Faludis „Backlash“ lesen würde.

Ihre besten Freundinnen sind Jude und Sharon. Jude ist eine erfolgreiche City-Karriere-Frau (Head of Futures bei Brightlings), die aber oft die Hälfte des Arbeitstags auf der Toilette verbringt. Sharon ist eine echte Feministin, die versucht, Bridget und Jude ein bisschen umzuerziehen. “Emotional fuckwittage!”, ruft sie den beiden beim Weißwein im Café Rouge zu.

Die Bridget Jones aus den Büchern mag zwar eine Feministin sein (auf Papier zumindest), aber ein feministisches Vorbild ist sie nicht. In der Realität ist sie eine Loserin, wahrscheinlich essgestört, definitiv Alkoholikerin. Als sie endlich mal ihr Wunschgewicht erreicht, denken alle, dass sie zu dünn aussieht. (Renée Zellwegers Bridget dagegen trinkt ein bisschen zu viel und isst oft viel. Die Film-Bridget hat Selbstzweifel. Die Buch-Bridget Selbsthass. Ich liebe beide, ehrlich gesagt.)

Damals gab es noch nicht so richtig Internet. Es dauerte eine Weile, bis ich herausgefunden habe, dass die Bridget-Jones-Bücher angeblich antifeministisch seien. Antifeministisch! Die Kritik war hart und wahrscheinlich gerechtfertigt. Bridget Jones war ein Schlag ins Gesicht für Frauen in Großbritannien. Sie zeigte, dass man doch nicht glücklich geworden ist, trotz Frauenbewegung. Die Figur war reaktionär, weil sie heiraten wollte. Die Bücher waren reaktionär, weil die Protagonistin so naiv und ignorant war. Eine berühmte britische Feministin, Julie Burchill, wurde oft zitiert, weil sie gesagt haben soll: „Wenn ich jemals Helen Fielding wieder sehe, werde ich ihr eine reinhauen.“

Ich erinnere mich, wie ich mit meiner Freundin Dianne über die Kritik an Bridget Jones gesprochen habe: „Wie können Frauen jemals lustig sein, wenn sie sich nicht lächerlich machen dürfen?“, fragte ich. Und fügte hinzu, sehr naiv: „Mr. Bean ist doch auch lächerlich und niemand denkt, dass er männerfeindlich ist.“

Damals habe ich nicht wirklich verstanden, was Feminismus ist, was Frauen erreicht hatten, und dass Bridget so wirkt, als ob sie das wegschmeißen wolle, weil sie Angst vor der Einsamkeit hat. Aber das, was ich gesagt habe, war nicht total falsch, obwohl es naiv war. Manches von dem, was ich gesagt habe, denke ich auch heute noch.

Um lustig zu sein, muss man Schwäche zeigen können. Ein Arschloch als Protagonist funktioniert in der Comedy nicht. Nur durch diese Momente der Schwäche entsteht Comedy. Und Bridget Jones ist schwach. Aber sie ist nicht nur schwach. Sie ist nur ganz oft unglaublich ehrlich und geht unglaublich ehrlich mit ihren Schwächen um.

Die Bücher waren besser als die Filme, natürlich (goes without saying). Das erste Buch war das beste. Und auch das zweite enthielt einige großartige Momente. Beim dritten Buch, in dem Bridget versucht, wissenschaftlich die Infos aller Datingratgeberbücher, die es gibt, zusammenzufassen und auf ihren Kern zu bringen, habe ich in der U-Bahn Tränen gelacht.

© Studiocanal „Bridget Jones‘ Baby“ UK 2016.
Regie: Sharon Maguire
Mit: Renée Zellweger, Gemma Jones, Colin Firth u.a.
123 Min., bereits angelaufen.

Die Bridget- Filme sind plumper, bunter. Was man wissen muss: Der neue Film, der gerade herausgekommen ist, basiert nicht auf dem dritten Buch, sondern auf Helen Fieldings Kolumne, die im „Telegraph „und in der „Independent“ erscheinen sind. Jetzt ist Bridget wieder single – aber schwanger und weiß nicht, wer der Vater sein wird. Es wird ein lustiger Film sein, denke ich, so wie Adam-Sandler-Filme lustig sind. Bridget Jones ist auf jeden Fall keine gute Feministin. Aber die Bücher sind lustig, die Filme sind süß. Und Bridget Jones ist eine Feministin. Eine unperfekte. Sie muss unperfekt sein, um lustig sein zu können. Und das kriegt sie hin.