Von Azadê Peşmen

Ride or Die, Bonnie and Clyde oder mit anderen Worten: Zusammenhalt und Loyalität. Finde ich gar nicht mal so unwichtig. Ein anderes Wort dafür wäre wohl: Verbündete oder Kompliz*innen bzw. Ally. An letzterem Wort kommt man kaum vorbei, wenn man knietief in Themen und Texten steckt, die sich mit Social Justice (Sozialer Gerechtigkeit) beschäftigen.

Manche Probleme lassen sich nicht so einfach unter den Perserteppich kehren. © Tine Fetz
Manche Probleme lassen sich nicht so einfach unter den Perserteppich kehren. © Tine Fetz

An sich gar nicht mal so schlecht, sich Unterstützung zu suchen, wenn man allein auf weiter Flur ist. Gerade, wenn man sich in homogen zusammengesetzten Räumen, also mehr oder weniger alle Spaces, die nicht die eigene Empowerment-Blase umfassen, befindet. Dann stellt das Konzept des Ally-Seins eine der Möglichkeiten dar, die einer*m das Gefühl geben, dass man nicht ganz so allein ist: Man kann gemeinsam mit den Augen rollen oder sich zusammen aufregen. Auch wenn man sich wenig bis gar nicht kennt. Allys nutzen (sagt die Theorie) ihre privilegiertere Position innerhalb der Gesellschaft, um anzusprechen, was Social-Justice-technisch falsch läuft (ne Menge also), weil sie gerne einen aktiven Beitrag dazu leisten möchten, Ungleichheiten aus dem Weg zu räumen –auch wenn sie selbst nicht be- und getroffen sind. Bestenfalls aber ohne in der ersten Reihe einer sozialen Bewegung zu sitzen.

Mittlerweile (und ich schließe nicht aus, dass ich das irgendwann revidiere) würde ich sagen: Aus die Maus, funktioniert nicht. Cause Allyship won’t work without relationship (Allianzen funktionieren nicht ohne eine Beziehung). Nicht im klassischen Paar-Beziehungssinne, wobei das unter Umständen auch hilft, aber ich meine das eher im freund*innenschaftlichen Sinne. Wenn eine Ally nicht aus einer Freund*innenschaft hervorgeht und sich nur dann zu Wort meldet oder aber Zustände bemängelt, weil es vielleicht politisch nicht okay ist, aus welchen Gründen auch immer, dann ist es fünf vor zwölf oder mit anderen Worten: If you’re just down with the cause, but not down with me, I am not down with you.

Es reicht nicht, sich „korrekt“ verhalten zu wollen, es geht auch darum zu sehen, was „inkorrektes“ Verhalten mit denen macht, die sich das jeden Tag geben müssen, die sich nicht aussuchen können, ob sie es jetzt unangebracht finden (zum Beispiel als Scheiß-Ausländer bezeichnet zu werden) oder nicht. Sprich: Einfach mal zuhören und Deutungshoheit an der Garderobe abgeben. Sich einzugestehen, dass man bestimmte Dinge im Leben nie erfahren wird, weil man schlicht und ergreifend anders aussieht und sozialisiert wurde, heißt manchmal auch einfach: Deine Realität ist nicht meine und wird nie meine sein. Oft passiert es aber leider doch, dass man sich, wenn man von seinen Erlebnissen und Erfahrungen erzählt, anhören muss: Das ist nicht so. Das hast du dir bestimmt nur eingebildet. Du übertreibst.

Passiert allen mal. Beschissen nur für diejenigen, die sich solche Sätze hunderttausendmal anhören mussten und müssen. Und nicht jede*r hat ständig Lust, die eigene Realität zu erklären, detailgenau aufzuschlüsseln, warum bestimmte Situationen zu Unwohlsein führen, weil es manchmal einfach nur nötig ist, Dampf abzulassen, ohne sich dafür zu legitimieren. Als Ally sucht man in dieser Situation vielleicht nach einer Patentlösung, nach einer, die man gelernt hat. Oder es fällt einer*m gar nicht erst auf.

Als Freund*in, Partner*in etc. lässt sich die Verstimmung schlechter unter den Perserteppich kehren. Man versucht eher individuell auf die Person einzugehen und die durch die Verletzung entstandenen Scherbenhaufen aufzukehren als an einen 10-Punkte-Plan zum Erfolg zu denken. Dann geht es nicht mehr um das politisch korrekte Verhalten, sondern darum, dass es dem Gegenüber wieder besser geht, denn ins Fettnäpfchen treten wir alle. Aber kein politisches Social-Justice-Konzept kann erklären, wie man den Müll am besten entsorgt. Das geht nur, wenn irgendeine Form der emotionalen Bindung da ist. Dann geht das Verhältnis über einen konstruierten Anspruch, alles richtig zu machen, hinaus und es geht dann eher um das, was wirklich wichtig ist: das Wohlbefinden eine*r Freund*in oder Partner*in. Und dieses Wohlbefinden sieht am Ende des Tages bei allen Menschen anders aus, weil unterschiedliche Menschen unterschiedliche Formen der Unterstützung brauchen. Und das ist das, was die oberste Priorität haben sollte. In diesem Fall lassen sich Fehltritte auch leichter verzeihen.