Von Nadine Schildhauer

Ana Rab aka GNUČČI poppte ungefähr 2014 auf den Radaren von Tumblr-User*innen und internationalen Blogs auf, auch wenn sie schon viel länger Musik macht. Das verstörende Cover zu dem basslastig-quietschigen Song „A.Rab“ erregte Aufmerksamkeit: Passiv-aggressiv lächelt Ana dem Publikum vor einem trashigen 90er-Hintergrund entgegen. Die Mischung aus aggressivem Girlpop-Rap, Euro-Dance-Elementen und ordentlich Bass auf ihrer „Psychohappy“-EP kommt überzeugend witzig daher. Die Songs sind allesamt Power-Dancefloor-HymnenInzwischen steht GNUČČI kurz vor dem Release ihres Debütalbums und machte dieses Jahr mit der Veröffentlichung von Songs wie „Ultimate Syndrome“ und „Young Paula Abdul“ weiter auf sich aufmerksam.

© Esteban Wautier
© Esteban Wautier

Als ich Ana treffe, ist es kurz vor 19 Uhr. Noch drei Stunden bis zu ihrer Show: Die Rapperin, Sängerin und Label-Chefin GNUČČI hört sich konzentriert jede Frage an und sitzt dabei keine Sekunde lang still. Im Interview kann ich ihre Energie nur erahnen. Später jedoch wird klar: Ana Rab peitscht das Publikum an, holt die Girls auf die Bühne, bis das Urban Spree förmlich glüht. GNUČČI ist eine Künstlerin voller guter Vibes, und so reden wir über Feminismus, wie sie junge Frauen dazu ermutigt, Musik zu produzieren, und wie es selbst in den Pop schaffte.

GNUČČI: Wie geht’s dir?
Missy: Gut, dabei müsste ich dich das fragen. Wie geht’s dir?
GNUČČI: Ich freue mich schon sehr auf das Konzert.

Missy: Wann veröffentlichst du dein lang ersehntes Debütalbum?
GNUČČI: Bald.

Hat das Album ein Dachthema?
Es ist persönlich. Es ist politisch. Es ist irgendwie alles. Die Themen, die ich behandle, sind alle sehr spezifisch und dann blase ich sie auf und mache sie viel größer und unspezifischer, wie in „Ultimate Syndrom“. In dem Song geht es um den Druck, immer das ultimative Good-Girl-Syndrom zu sein und alles erreichen zu müssen.

Vor dem Good-Girl-Syndrom kann man leider nicht wegrennen, dafür kann man es in einem Song verarbeiten. Feminismus liefert natürlich auch Erklärungsmodelle, aber verstehst du dich überhaupt als Feministin?
Ja.

Wie definierst du Feminismus für dich, und wie erlebst du Feminismus in deinem Alltag? Hast du eine feministische Praxis?
Feminismus funktioniert unterschiedlich, je nach Konstellationen und Umgebung. Als Musikerin kann ich aber von mir behaupten, dass ich ohne viel Aufwand und aufrichtig divers arbeite. Mein kreatives Umfeld ist sehr von Frauen dominiert. Dementsprechend arbeite ich fast nur mit Frauen zusammen. Feminismus selber verstehe ich als gutes Werkzeug, um verschiedene Strategien und bestimmte Systeme zu verstehen. Ich benutze es, um mich geistig auf der Höhe zu halten und aber auch um meine Gefühle besser zu verstehen. Einige Menschen halten sich für verrückt, weil sie auf eine bestimmte Art und Weise denken. Aber wenn du zumindest das Bewusstsein und Wissen hast, wie Patriarchat funktioniert, hast du die Möglichkeit herauszufinden, wie du am besten mit Ungerechtigkeiten umgehen kannst.

Wenn du mit vielen Frauen zusammenarbeitest, ist das dann ein Mechanismus, um mit der Gesellschaft, in der wir leben, klarzukommen?
Ja, auf jeden Fall. Frauen haben diese zusätzliche Perspektive, die uns andere Menschen einfach übergestülpt haben. Aber ich kann nicht die ganze Zeit eine Frau sein. Frauenrechte und Empowerment sind mir sehr wichtig, aber zu meinen Bedingungen. Ich mag nicht die Idee eines weiblichen ABCs von jemand anderem erfüllen.

Was erzählst du jungen Frauen, die Musikerinnen werden möchten?
Fang damit an! Wir müssen aufhören, darüber zu reden, und loslegen. Ich kann natürlich theoretisch zum Kern des Problems vordringen, warum wesentlich weniger Frauen im Musikbusiness sind, und das verängstigt mich. Ich bin sehr gut darin, Ängste aufzubauen. Doch wenn wir Frauen zusammenkommen, sollten wir uns gegenseitig ermutigen, uns als mögliche Kollaborationspartnerinnen sehen und nicht als Konkurrentinnen. Sprich mich einfach an und frag mich: „Yo, wie machst du das?“ Sei nicht verängstigt, sondern stell Fragen. Außerdem solltest du extra viel Mühe in alles stecken. Das wirst du brauchen. Werde geeky. Wenn ich mit Dudes arbeite, heißt es immer: machen, machen, machen, machen. Außerdem musst du dich selbst promoten: „Yo, hör dir meine Musik an!“ Es kommen nicht viele Frauen auf mich zu, dafür aber viele Typen.
In letzter Zeit hatte ich einige Interviewer*innen, die mich gefragt haben: „Wie ist es, eine Frau in der Musikindustrie zu sein?“ Diese Journalist*innen sind total fokussiert auf das Negative und wollen, dass ich ihnen alle Schwierigkeiten erzähle. Aber ich will darüber sprechen, was möglich ist. Ich mag es nämlich, eine freaky, feminine Frau zu sein.

Wie fühlt es sich für dich an, auf der Bühne zu stehen?
Es ist mein Traum, vor Lehrer*innen und jungen Mädchen zu spielen. Ich glaube ernsthaft daran, dass ein Clubbesuch oder ein Event sehr zum Empowerment von Frauen beiträgt. Stell dir vor, du hast diese echt harte Woche hinter dir, weil du fleißig bist und vielleicht trägst du mit deinem Job etwas zur Gesellschaft bei. Das ist toll. Ich hingegen möchte ein Teil deines Wochenendes werden. Ich mache den Soundtrack für deine Nacht. Ich gebe dir meine Energie, damit du mir deine gibst, und im Raum entsteht dann eine Synergie aller Sweethearts.

© Gnucci
© Gnucci

Deine Musik lässt sich nicht auf ein Genre runterbrechen. Wie entsteht dieser Mix?
Man ist nicht nur glücklich, traurig und sauer. Es gibt Nuancen. Musik ist das Medium, durch das ich alle meine Gefühle kanalisiere, in allen Facetten. Dementsprechend kann sie sehr unterschiedlich klingen.

Wie näherst du dich deinen Produktionen an?
Das meiste kommt aus dem Bauch heraus. Ich bekomme Anflüge von Melodien und Songtexten, und die will ich dann entdecken.

Wie hast du das Selbstbewusstsein erlangt, deine Musik zu veröffentlichen, dich auf eine Bühne zu stellen und zu wissen, dass das gut so ist, wie es ist?
Ich arbeite, seit ich 15 bin, weshalb ich eine hohe Arbeitsmoral habe. Ich komme aus der Arbeiter*innenklasse und so arbeite ich auch. Außerdem glaube ich an mich selbst, und das brauchst du, um deinen Weg zu gehen. Ich verspreche dir, mit 45 werde ich immer noch im Club wie Iggy Pop auf der Bühne stehen.

Hat deine jugoslawische Herkunft deine Musik beeinflusst?
Zum einen komme ich aus einem Land, das es nicht mehr gibt, zum anderen bin ich ein Mix. Mein Vater ist Serbe, meine Mutter Kroatin. Im Zuge der Geschichte ist es leider so, dass beide Nationalitäten sich manchmal hassen. Als ich fünf war, ist meine Familie nach Schweden gezogen. Ich wurde sehr jugoslawisch erzogen, weshalb ich mein ganzes Leben das Gefühl hatte, den Menschen zu viel zu sein: zu enthusiastisch, zu laut, zu weird, zu raumeinnehmend. Ich liebe Schweden, es ist echt cool dort, aber man fällt dort sehr leicht aus der Rolle. Ich kann mich mit keiner Nationalität so richtig identifizieren. Aber ich zehre von allen Einflüssen.