Von Vina Yun

Welche Bilder über Schwarze Menschen bringen Medien der Gegenwart und Vergangenheit hervor? Wie manifestieren sich kolonial geprägte Darstellungstraditionen in den medialen Archiven? Und welche Strategien entwickeln Schwarze Aktivist*innen, um in den Bildermainstream zu intervenieren? Mit Fragen wie diesen beschäftigen sich zwei aktuelle Bücher: „Talking Back“ von Claudia Unterweger, Historikerin und Moderatorin beim österreichischen Jugendradiosender FM4, und „Bilder der Dekolonisation“ der Wiener Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Paula Pfoser. Eine Gesprächsrunde.

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Claudia Unterweger, Journalistin und Moderatorin: „Ziel war, die historischen und gegenwärtigen Erfahrungen Schwarzer Menschen in Österreich sichtbar zu machen.“ © Ute Hölzl

Claudia, dein Buch handelt von der historischen Anwesenheit Schwarzer Menschen in Österreich und davon, wie koloniale Darstellungstraditionen die medialen Bilder der Gegenwart prägen. Ebenso gehst du der Frage nach, wie die Jetztzeit eine bestimmte Blickweise auf die Vergangenheit hervorbringt. Wie hängen Geschichtsschreibung und die gegenwärtige Repräsentation Schwarzer Menschen miteinander zusammen?
Claudia Unterweger: Die Gegenwart spielt eine zentrale Rolle in der Wahrnehmung der Vergangenheit. Denn wie wir Vergangenheit konstruieren, hängt immer auch von den aktuellen Bedürfnissen der Menschen ab. Im Buch beschreibe ich die Erkenntnisse und Strategien der Recherchegruppe zur Schwarzen österreichischen Geschichte, die um 2005 herum von Schwarzen Aktivist*innen gegründet wurde und in der ich selbst aktiv war. Damals kam in Österreich eine ganze Reihe Schwarzer Menschen in den Händen der Polizei ums Leben, wie zum Beispiel Marcus Omofuma oder Seibane Wague. Außerdem häuften sich seit den 2000er-Jahren in Wien rassistische Beschmierungen an Hauswänden und in den öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Sprüchen wie „N* raus!“. Die ohnehin schon restriktive Asyl- und Ausländergesetzgebung wurde abermals verschärft. Zudem war die mediale Berichterstattung von rassistischen Stereotypen geprägt: Schwarze Asylbewerber wurden als „nigerianische Drogendealer“ kriminalisiert, Schwarze Frauen als „illegale Prostituierte“ wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund schlossen sich Schwarze Aktivist*innen zusammen, um sich als Subjekte zu verorten, die eine Geschichte haben in diesem Land, die Jahrhunderte zurückreicht. Ziel war, die historischen und gegenwärtigen Erfahrungen Schwarzer Menschen in Österreich sichtbar zu machen.

Dein Buch trägt den Titel „Talking Back“, eine Reverenz an die US-amerikanische Schwarze Theoretikerin bell hooks. Wie ist das im Hinblick auf die Erforschung einer Schwarzen österreichischen Geschichte zu verstehen?
CU: Die Geschichte Schwarzer Menschen in Österreich ist eine sehr verborgene und verschüttete – und das ist kein Zufall, denn sie ist im Laufe der Zeit dezidiert unsichtbar gemacht worden. Die Recherchegruppe hat versucht, die Idee der „ungefragten Widerrede“ von bell hooks auf die hiesige Geschichtsschreibung Schwarzer Menschen zu übertragen: Wir wollten „zurückreden“, diese Geschichte bergen und im öffentlichen Gedächtnis verankern. Zum Beispiel haben wir eine Ausstellungsreihe gestaltet und ein Musikvideo mit dem Titel „Let It Be Known“ gedreht. Darin wird von der institutionalisierten, tödlichen Gewalt gegen Schwarze Männer erzählt: von der Hinrichtung des aus dem heutigen Kongo stammenden Jakob Bock in Wien 1704 über die Zurschau…