von Tina Schulze

Die Opfer des Gewalttäters Tim K. an seiner ehemaligen Schule in Winnenden waren fast ausschließlich weiblich – erst als er auf seiner Flucht anfing ungehalten durch die Gegend zu schießen, wurden auch männliche Mitmenschen getroffen. Zufall oder Absicht, fragt sich Alice Schwarzer in einem Beitrag, der anlässlich des Amoklaufs am 16.03.2009 in der Zeitung „Die Welt“ erschien. Schwarzer unterstellt, dass die Tat nicht wahllos war, dass der Täter seine Lehrerinnen verachtete, weil sie ihm schlechte Noten gaben und dass er zuvor gewalttätige Pornos verschlungen hatte. „Warum sind Amokläufer fast ausschließlich männlich?“ fragt Schwarzer daraufhin. Ja, warum eigentlich?

Direkt unter Schwarzers Beitrag hat Gerhard Amendt, Professor für Geschlechter- und Generationsforschung an der Universität Bremen, unter dem Titel „Unterdrückte junge Männer“ gleich die passende Antwort parat: Laut Amendt sind junge Männer heute Opfer ihrer weiblichen Mitmenschen. Frauen hätten im Zuge des Feminismus die Universitäten und sodann auch die Arbeitswelt erobert. Gerade in Grundschulen arbeiteten überwiegend Lehrerinnen. Den Jungs fehlten deshalb von jungem Alter an männliche Vorbilder. Sie würden unterdrückt und zu Verlierern gemacht – das wiederum führe zur Gewalttätigkeit. Ganz grob zusammengefasst meint der werte Herr Professor, die Frauenbewegung sei letztlich Schuld daran, dass junge Männer gewalttätig werden. Aha.

Wie kommt dieser Mann auf die Idee, dass die arbeitende Frauenwelt kleine Jungs einschüchtere, unterdrücke und schließlich zu Gewalttätern mache? Wurden Frauen nicht jahrhundertelang unterdrückt? Wurden sie deshalb zu Attentäterinnen, schossen sie um sich? Nein, das kam  im Laufe von ein paar Tausend Jahren Menschheitsgeschichte ausgesprochen selten vor. Frauen werden eher Opfer ihrer selbst.

Schaut frau genauer hin, erkennt sie diesen kleinen, aber feinen Unterschied. Und außerdem erkennt sie, dass Mann Tatsachen sehr wohl und gut zu seinem Vorteil verdrehen kann. So hindrehen, dass Mann als Opfer der Frauenbewegung dasteht. Die Tatsache, dass er es nicht ist, Frau aber definitiv lange Zeit Opfer der Männerwelt und ihrer Politik der Unterdrückung war und in mancher Hinsicht noch immer ist, wird zweitrangig. Traurig ist, dass Mann die Einsicht fehlt, dass Menschlichkeit nachahmenswerter ist als so manche Männlichkeit und dass er diese Schwäche auch noch zu seinem Vorteil verwenden will.