Wir fahren diesen Sommer nach London oder Helsinki. Wenn die Preise weiter abstürzen, vielleicht sogar nach Reykjavik. Wir werden in Clubs und zu Open Air- Konzerten gehen und tanzen und Bier aus Bechern trinken. Und nicht in einem Zelt schlafen.

Es ist vorbei mit Festivals. Am Anfang war es noch aufregend: Raus aus der elterlichen Kontrolle, rein ins wilde Hippieparadies. Da fand man noch cool, wenn einer „Creep“ auf der Gitarre konnte oder beim Bierbong-Trinken den Schlauch nach oben hielt.

Wir werden nicht aus Dosen essen, die wir mühsam in die Provinz gekarrt haben. Nicht über die Einheimischen mit dem lustigen Dialekt lachen, die einmal im Jahr den großen Reibach mit uns machen. Keine Rückenschmerzen vom langen Stehen, kein Matsch in den Schuhen, keine blauen Flecken von Leuten auf der Stirn, die nicht wissen, dass Phoenix keine Band ist, bei der Crowdsurfen angebracht ist.

Nur Big City Life. Mit Menschen reden, die nicht nur von den letzten drei Jahren erzählen und im besten Fall gut aussehen. Nicht, dass wir eitel wären. Aber warum gibt es überhaupt Duschen, wenn man am Ende nackt zwischen Wildfremden steht und die Unterwäsche gestohlen wurde? Der Toilettenbesuch wird nicht von Schweißausbrüchen begleitet, die Angst, das Dixie fällt um, ist endlich vorbei. Dabei sind die Krawallanarchos eigentlich noch die coolsten Hunde auf dem Festivalspielplatz. Die zünden wenigstens alles an, wenn der Headliner mal wieder kurzfristig absagt.

Viel schlimmer sind die PerfektionistInnen. Die haben nämlich alles dabei, wirklich alles. In jeder Festivalfreundegruppe gibt es eine solche Person. Es fühlt sich gut an, dass eine Pinzette an Bord ist. Taschenlampe. Ersatzbatterien. Salz. Zahncreme. Und diese Person weiß auch immer, wer wann wo spielt und welche Art von Musik die machen und ob die in England schon ganz groß sind. Diese Leute haben auch immer die schönsten und leichtesten Zelte, Schlafsäcke, Isomatten, total praktische Schichtkleidung und Gürteltaschen. Meine Perfektionistin hat es sogar geschafft, eine glutenfreie Diät auf dem Festival durchzuziehen. Beneidenswert.

Wir fahren trotzdem lieber in die Stadt. Aber im September, da könnte man vielleicht einen kleinen Campingausflug in die Berge, nur die Liebsten, mit dem Zelt. Auf dem Kassettenrecorder läuft „Creep“.

Text: Fiona Sara Schmidt