digitallife-rahmenDer große Saal der Kalkscheune leerte sich nach dem Vortrag von Udo Vetter über juristische Fragen des Bloggens ein wenig, bevor das anschließende Panel über die Chancen, Risiken und Herausforderungen feministischer Netzkultur (jetzt auf youtube) auf der re:publica 2010 startete. Weil Feminismus immer noch kein Massenthema ist, hatten alle einen Sitzplatz, von dem aus sie der Diskussion mit Helga Hansen (Mädchenmannschaft), Ina Freudenschuß (dieStandard.at), Rochus Wolff (Genderblog) und Chris Köver (Missy Magazine) folgen konnten. Die Leitfragen von Moderatorin Svenja Schröder (Mädchenblog) an die einstündigen Diskussion lauteten: Wo steht die feministische Blogszene? Haben wir schon was erreicht und wo wollen wir überhaupt hin? Nachdem wir auf der letzten re:publica über die Notwendigkeit von Vernetzung gesprochen haben und infolge dessen die Girls On Web Society Gruppe auf Facebook ins Leben gerufen wurde, ging es auf dem diesjährigen Feminismuspanel unter anderem um die überaus spannende Frage der Kampagnenfähigkeit.

„keine Partei, die von Alice Schwarzer geführt wird“

Feministische Blogs haben in den letzten Monaten Fahrtwasser aufgenommen, beispielsweise im Zuge der Genderdabatte in der Piratenpartei und der Diskussion über die Sichtbarkeit von Frauen im Netz anlässlich der Interviewereihe mit Bloggern von Phillip Banse für dctp.tv. Neben den großen, kollaborativen Projekten, die auf dem Panel vertreten sind, gibt es mittlerweile auch viel mehr persönliche Blogs, die feministisch schreiben – so der Eindruck von Rochus Wolff. Aber kann von einer feministischen Bewegung im Netz gesprochen werden? Chris Köver bevorzugt den Begriff Szene und betont, dass es im Internet eine große Bandbreite von feministischen Ansätzen und thematischen Schwerpunkten gibt: „Feminismus ist keine Partei, die von Alice Schwarzer geführt wird. Zum Glück.“ Auch wenn sich aus dieser Pluralität strategische Probleme ergeben, äußerte niemand auf dem Panel den Wunsch nach einer größeren Homogenität. Vielmehr wurde am Rande bemerkt, dass Feminismus hier von fünf weißen Mittelschichtpersonen vertreten wird, was vielmehr auf eine mangelnde Diversität verweist, die möglicherweise die ganze Szene betrifft.

Ina Freundenschuß, Chris Köver, Svenja Schröder, Helga Hansen und Rochus Wolff auf der re:publica 2010
Ina Freudenschuß, Chris Köver, Svenja Schröder, Helga Hansen und Rochus Wolff

Ein Thema, an dem auch die feministische Netzszene nicht vorbeizukommen scheint, ist das Verhältnis zum journalistischen Mainstream. Ina Freudenschuß von die Standard beobachtet in den letzten zehn Jahren eine Professionalisierung von feministischen Medienmacherinnen, die dazu führt, dass geschlechterpolitische Themen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch queere Auseinandersetzungen mit Sexualität und Zweigeschlechtlichkeit auch in liberalen Mainstreammedien verhandelt werden. Ob eine stärkere Verbindung zwischen Blogs und Presse wünschenswert ist, bleibt auf dem Podium unklar. Einerseits erscheint ein sich Abarbeiten am Mainstream müßig, zumal immer die Gefahr der Vereinnahmung besteht. Andererseits ist die antifeministische, maskulistische Szene gut vernetzt und es gelingt ihr immer wieder, Themen in den großen Medien zu platzieren. Hier, so Helga Hansen, muss die Szene etwas entgegen setzen.

„Das Schreiben über queer-feministische Themen ist auch eine Form von politischer Arbeit.“

Die große Frage, die dieses Panel aufgeworfen hat, ist die nach der Kampagnenfähigkeit der Szene. Sind die feministischen Blogs mittlerweile zahlreich und vernetzt genug, um eine Gegenöffentlichkeit herzustellen und punktuell Themen so zu besetzen, dass sie auch in einer breiteren Öffentlichkeit und bei Entscheidungsträger_innen wahrgenommen werden? Ohne einen akuten Anlass oder bereits auf dem Tisch liegende Themen und Ziele verlief die Diskussion über die Möglichkeit von Kampagnen erwartungsgemäß nicht besonders konkret. (Ich könnte mich ja durchaus für das Thema Impressumspflicht auf Blogs begeistern.) Das K-Wort steht jetzt im Raum, und bei nächster Gelegenheit werden wir uns sicherlich daran erinnern. Interessant wird dann, ob das Nebeneinander verschiedener feministischer Ansätze weiterhin funktioniert – wenn es zum Beispiel um die Frage geht, wer Anliegen in der Öffentlichkeit vertritt. Das re:publica Panel hat in jedem Fall gezeigt, dass eine gut vernetzte feministischen Szene im Web die Chance hat, durch das Schreiben auf Blogs und die Kommunikation auf verschiedenen Social Media Plattformen auch über den eigenen Kreis hinaus politischen Einfluss geltend zu machen.

Stellvertretend für die zahlreichen Blogposts zur re:publica in den feministischen Blogs empfehle ich das re:sümee zur #rp10 von Helga Hansen, die viele Links gesammelt hat.