gabyberlinale-rahmen1Gabriele Scholz, Ex-Publizistik Studentin, Ex-Aushilfe an der Fleischtheke (mittlerweile halleluja vegetarisch unterwegs), Ex-Katholikin, Ex-Filmemacherin und Ex-Buchhändlerin schreibt für die altmodische Schublade, die Intro, die Berliner Zeitung und einige andere Publikationen. In meinem Gastblog werde ich vor allem die Rolle der Frauen und den Stand zwischenmenschlicher Beziehungen in den Filmen der diesjährigen Berlinale unter die Lupe nehmen. Interessant wird es dabei sicherlich, wenn man die in der Regel fortschrittlicheren Panorama- und Forums-Filme mit denen aus dem Wettbewerbs-Programm vergleicht.

Bei der Vorab-Sichtung eines Panorama-Beitrags über den schwulen Filmemacher und Provokateur des Mainstreams Bruce LaBruce („The Advocate for Fagdom“) drängte sich mir eine weitere Frage auf. Warum wird nicht verraten, da es sich um eine Weltpremiere handelt und ich sonst womöglich nie wieder zu einer Pressevorführung und abgestandenem Kaffee eingeladen werde. Nur soviel sei gesagt – Susanne Sachße, Hauptdarstellerin des Films „The Rasperry Reich“ inspirierte mich zu einer Frage, der ich in diesem Blog auch nachgehen möchte: Stimmt es eigentlich (immer noch), dass Frauen in vielen Filmen tatsächlich immer nur dann Sex haben, wenn sie einsam, traurig oder verwirrt sind? (Für den Film „Brownian Movement“ mit Sandra Hüller über den ich Euch dann nach erfolgter Weltpremiere gerne mehr berichten möchte, gilt das – der Regisseurin Nanouk Leopold sei Dank – schon einmal nicht.)

Der weibliche Blick – also Filme von Frauen – wird bestimmt ein weiterer Schwerpunkt meines Blogs sein.

Eine weitere Frage wird mich bei der komatösen Sichtung der Berlinale – Filme beschäftigen. Neulich fragte mich mein Lebensgefährte, mit dem ich eine Tochter habe – welche sich beständig von ihrem geliebten Halbbruder unverstanden fühlt: Für was sind Männer eigentlich noch gut? Ich hoffe, dass wenigstens einige der 22 Filme des Wettbewerbsprogramms (vier davon sind diesmal von weiblichen Regisseurinnen) mir darauf eine befriedigende Antwort geben können.

Immerhin befindet sich der Berlinale-Vorsitz in diesem Jahr fest in weiblicher Hand: Isabella Rosselini, Tochter von Ingrid Bergman und Ex-Muse und Ex-Liebe von David Lynch gibt sich die Ehre. 2008 erfreute sie uns noch mit ihrem lustigen Regie-Debüt „Green Porno“ in dem sie sich über das Sexualleben der Insekten auslässt. Am lebhaftesten ist mir ihre Schnecken-Performance in Erinnerung.

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An Rosselinis Seite schwirren drei weitere weibliche Jury-Mitglieder. Schauspielerin Nina Hoss, die Produzentin Jan Chapman und die Kostümbildnerin Sandy Powell. Demgegenüber mischen nur zwei definitiv anwesende (dazu später mehr) Männer mit…Das ein oder andere Berlinale-Skandälchen wird hoffentlich meinen Gastblog würzen.

Heute morgen fand die Pressekonferenz der, vom 10. bis 20. Februar stattfindenden,  61. Filmfestspiele statt – dieses Jahr gab es also leider keine überzuckerte Geburtstagstorte zum Kaffee: Der Film „True Grit“ von den Coen-Brüdern wird die Berlinale eröffnen. Laut dem schnoddrigen Dieter Kosslick handelt es sich bei dem Westernremake, wie „man bei dem Trailer leider nicht so richtig mitbekommt, um einen Frauenfilm“, wir dürfen also gespannt sein, was der Festivalleiter darunter versteht. Und wer kommt denn jetzt nach Berlin? Alle – bis auf Matt Damon. Also auch der „Dude“, Jeff Bridges….

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Weiter erwarten uns „vier 3D-Filme und – im Wettbewerb – vier Filme von jungen! Regisseurinnen…, sowie Geschichten von jungen Leuten, die vor der Haustür liegen“ erzählt uns der freundliche Märchenonkel Kosslick. (Also hoffentlich die Geschichten und nicht die Leute.)

Eine dieser jungen Regisseurinnen ist „die rennomierte Performancekünstlerin downloadedfileMiranda July“. Sie feiert auf der Berlinale mit ihrem neuen Film internationale Premiere, laut Kosslick handelt es sich bei „The Future“ um die Geschichte „der Entfremdung eines modernen Paares mit Internetanschluss“. Nach der Beschreibung könnte es sich also auch um die verfilmte Liebesgeschichte zwischen Demi Moore und Ashton Kutcher handeln, doch das kann ich mir bei Frau July nicht vorstellen.

Erinnerte mich doch ihr Debütfilm „Me and You and Everyone We Know“ an die wunderbar beobachteten Filme einer Sofia Coppola, die auch immer von der Suche nach menschlicher Nähe handeln.

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Auch in ihrem neuen Film spielt die vielseitige Künstlerin wieder eine der Hauptrollen.

Weitere mit Spannung erwartete Filme von Frauen: „Yelling To The Sky“ von Victoria Mahoney mit der großartigen tumblr_ldc8grx7ch1qfx3ylo1_5002Gabourey Sidibe, die zuletzt in der Rolle der 400-Pfund schweren Claireece „Precious“ Jones brillierte. In Mahoneys Film spielt sie ein afroamerikanisches Mädchen aus New York, das aus dem Bandenkrieg aussteigen möchte. „El premio“ von Paula Markovitch beschäftigt sich schließlich „mit den Folgen einer Diktatur ohne dass diese wirklich vorkommt“. Ich hoffe Euch an dieser Stelle demnächst präziser davon berichten zu können.

Wie ich vorhin schon angedeutet habe und wie Ihr vielleicht auch schon gehört habt, bleibt der Jury-Platz des iranischen Regisseurs Jafar Panahi dieses Jahr höchstwahrscheinlich unbesetzt. Kurz nach seiner Einladung zur Jury der Berlinale 2011 wurde er von dem Unrechtsregime in seinem Land zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Das Urteil befindet sich allerdings noch in der Revision – und so oder so wird ihm, ähnlich wie dem letztjährigen chinesischen Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der Jurystuhl freigehalten. Kosslick hofft jedenfalls auf ein Wunder à la Tunesien, wo gerade „ein paar Leuten der Badeurlaub versaut wurde“. Am 11. Februar, dem iranischen Revolutionstag, wird deshalb noch einmal sein letzter Film „Offside“, über fußballbegeisterte iranische Frauen, die im Abseits stehen, gezeigt. Auch in allen anderen Sektionen werden Filme von Jafar Panahi wiederholt.

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Noch ein Wort zu China: Obwohl u.a. eine chinesische Diamantenfirma dieses Jahr Sponsor der Berlinale ist, bleibt das Festival unabhängig – es laufen kaum chinesische Filme im Programm, was natürlich mit der chinesischen Zensur zu tun hat. Zwei Filme wurden eingeladen, den Regisseuren wurde daraufhin aber mit zwei Jahren Berufsverbot gedroht – sie zogen vor lieber weiterzuarbeiten….

Die Retrospektive widmet sich in diesem Jahr ganz Ingmar Bergman und zeigt u.a. „Behind-the-Scenes“ Material, bei dem wir angeblich eine ganz andere Vorstellung vom Arbeiten dieses Regisseurs bekommen.

Neugierig bin ich auch auf den britischen 3D-Film in der Panorama-Reihe „The Mortician“, der einer der gelungensten Filme mit dieser neuen Technik sein soll, da er völlig neu an Kamera, Licht und Schnitt herangeht.

Noch weiß niemand sicher, ob Madonna höchstelbst auf der Berlinale beim European Filmmarket auftauchen wird, um einen knapp dreiminütigen Schnipsel aus ihrem neuen Werk „W.E.“ zu präsentieren, der thematisch auch – wie man munkelt – etwas mit Wallis Simpson, der Geliebten aus dem derzeitigen Preiseabräumer-Film „The King’s Speech“ zu tun haben soll.

So das wär’s erst einmal für heute, ich muss los zum Yoga – nach bereits zwei Wochen pausenlosem Kinogehocke zieht’s derbe in den Oberschenkeln und im Rücken, vom seelischen Aufruhr ganz zu schweigen. Und meine Yogalehrerin, die könnte die Nichte vom Kosslick sein: „Jetzt atmen wir alle schön tief dahin, wo Amy Winehouse ihren Dutt hat.“