Wie sieht der Sex aus, der uns von allen Sorgen befreit? Im Titania Theater in Frankfurt am Main wälzen sich die „Supergrrrls“ über die Bühne.
Von János Erkens

Foto: Seweryn Zelazy

„Fuck the Pain away!“ Wenn Peaches das singt, klingt das so banal und einfach – aber mal im Ernst: Wie geht er eigentlich, dieser Sex, der so gut ist, dass man alle Sorgen und Probleme schwuppdiwupp vergisst?! Weil die emanzipierte Frau von heute das zweifellos wissen sollte, versuchen die fünf Schauspielerinnen auf der Bühne des Frankfurter Titania-Theaters verschiedene Stellungen aus, während besagter Popsong aus den Boxen wummert.

Die Frauen zwischen 20 und 40 Jahren wälzen sich auf dem Boden, juckeln Stühle an oder greifen sich ans ausgestopfte Dekolleté und in die Perücken, souverän balancierend zwischen Sexyness und Unbeholfenheit. Aus ZuschauerInnenperspektive sieht das natürlich ein bisschen albern aus, beziehungsweise eher ironisch – oder Moment mal, eigentlich doch so, wie im richtigen Leben auch…

Die verschwimmenden Grenzen zwischen Spaß und Ernst, zwischen Identifikation und Imitation und zwischen Skript und Improvisation sind das hervorstechendste Merkmal in „Supergrrrls“, das die Theaterperipherie aktuell im Programm hat. Dabei wollten die fünf Darstellerinnen und Regisseurin Ute Bansemir ursprünglich ein Stück über aktuelle Weiblichkeitsentwürfe machen und haben zu Recherchezwecken verschiedene Frauenbilder in deren natürlichem Lebensumfeld studiert.

Weiblichkeit, was geht?

Aus Interviews und Schulungen mit einem Model, einer Tantra-Masseurin, einem weiblichen Karrierecoach und einer Frauenbeauftragten hat das Ensemble gemeinsam eine Dramaturgie entworfen, die ungefähr alles dekonstruiert, was wir über Weiblichkeit zu wissen glaubten. Untermalt mit Musik von Beyoncé bis LeTigre wird das Publikum in „Supergrrrls“ Zeugin eines umfänglichen Feldversuchs, bei dem die fünf Frauen auf der Bühne ausprobieren, mit welchen der vorgestellten Weiblichkeitsentwürfe sie sich in welcher Hinsicht identifizieren können.

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Die Darstellerinnen ziehen dabei die vorgestellten Identitäten an wie die zugehörigen Kostüme, tragen sie eine Zeit lang Probe, testen sie in der Interaktion mit ihren Mitspielerinnen und zuppeln sie dort zurecht, wo es zwickt und drückt. In die Atempausen des schnellen, lauten und bunten Stückes streuen die Darstellerinnen zusätzlich Gesprächsfetzen ein, die abseits der Proben entstanden sind und die zusätzlich die Trennung zwischen Theater und dem Leben da draußen unterlaufen. Wenn die Widersprüche zu prominent werden, wird verschmitzt grinsend der Holzhammer ausgepackt und mit Schmackes auf das Klischeebild gehauen, damit Platz ist für den nächsten Entwurf.

Der „Grrrl“-Effekt

Spaß macht „Supergrrrls“ nicht nur wegen der smarten Lässigkeit der Darstellerinnen, sondern vor allem deshalb, weil der Zuschauerin selbst überlassen wird zu beurteilen, wann die fünf Schauspielerinnen noch ernsthaft wiedergeben, was sie bei den Interviews mit der jeweiligen Frau herausgefunden haben – und wann das beginnt, was Ute Bansemir den „Grrrl“ nennt: Die überzogene, zugespitzte Darstellung der jeweiligen Frauenrolle zu Zwecken der Dekonstruktion und der Publikumserheiterung.

„Wir haben während der Konzeption des Stückes nach und nach alles ge-grrrlt, was uns begegnet ist“, erzählt die Regisseurin. „Das einzige, worauf sich alle einigen konnten beziehungsweise was alle cool fanden, war die Pussy-Power-Attitüde von Lady Bitch Ray.“ Offenbar ist sie also doch hochgradig Identität stiftend, diese souveräne Sexualität.

Weitere Aufführungen von „Supergrrrls“ am Titania Theater in Frankfurt am Main: 27. Februar, 07. und 15. März 2014, Beginn jeweils 15.30 Uhr.