Von Sonja Eismann

Es gibt Cooleres, als sich mit einer Band zu befassen, deren größte Hits die meisten Teenies in der unvermeidlichen Hippie-Phase so oft rauf- und runtergenudelt haben, dass sie sie als Erwachsene nicht mehr hören können. Denkt man, wenn man erfährt, dass die erfolgreiche französische Comiczeichnerin Pénélope Bagieu, die seit 2014 in New York lebt, sich in einem Werk mit der Biografie von Mama Cass auseinandergesetzt hat, einem Viertel der Band The Mamas & the Papas.

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©Pénélope Bagieu, Carlsen Verlag

Doch „California Dreamin’“, das im Gegensatz zu den früheren Graphic Novels von Bagieu nicht in einem bunten Ligne-Claire-Stil gehalten ist, sondern roughe, wilde, oft fast skizzenhafte S/W-Zeichnungen zeigt, fördert Erstaunliches zutage: zur ärmlichen Kindheit von „Mama“ Cass Elliot, die 1941 in Baltimore als Ellen Naomi Cohen in eine vor Pogromen geflüchtete jüdische Familie aus Osteuropa hineingeboren wurde und nicht wie alle als Deli-Verkäuferin enden wollte, sondern stattdessen früh auf ihr musikalisches Talent setzte. Zu ihren Drogenexzessen und den vielen gescheiterten Anläufen im Musikbiz. Zur angespannten Viererkonstellation in der Band, in der die beiden Männer um die Liebe der schönen Michelle stritten und Cass wiederum sich in unerwiderter Liebe nach einem von ihnen verzehrte.

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©Pénélope Bagieu, Carlsen Verlag

© Carlsen VerlagPénélope Bagieu
„California Dreamin’“
Carlsen, 272 S., 19,99 Euro, VÖ 22.03.

Und nicht zuletzt zeigt das Buch auch die lebenslangen Anfeindungen gegen Cass wegen ihres dicken Körpers, der aus ihr eigentlich eine Beth Ditto avant la lettre hätte machen können – wenn sie nicht bereits 1974 an einem Herzversagen gestorben wäre (angeblich ausgelöst durch mehrere Schockdiäten, auch wenn ihre letzte Lebensphase nach der Auflösung der Band im Comic nicht mehr vorkommt). Nach dem Lesen dieser lebenswütigen, erfolgshungrigen Aufs und Abs geht man milde gestimmt noch mal zurück ins Archiv – und ist tatsächlich gebannt von der Stimme von Mama Cass.