Von Anna Mayrhauser

Die französische Provinz, Anfang der 1970er Jahre: Bäuerinnen arbeiten ohne Mitsprachrecht über das gemeinsam mit ihren Männern erwirtschaftete Einkommen, haben oft keine eigenen Krankenversicherung, die Moralvorstellungen sind rigide.

© Alamode Film
Bald müssen sie sich entscheiden: Delphine (Izïa Higelin) und Carole (Cécile de France). © Alamode Film

In diesem Umfeld lebt Delphine (Izïa Higelin), Anfang zwanzig. Gemeinsam mit ihren Eltern bewirtschaftet sie den familieneigenen Bauernhof. Sie liebt Tiere, Traktor fahren,  und auch die harte Arbeit macht ihr Spaß. Aber sie will nicht heiraten. Also zieht sie nach Paris und genießt in ihrem Dachzimmerchen die neue Freiheit – Ravioli aus der Dose essen, endlich allein sein, Musik hören. Und zwischendurch berichtet der Nachrichtensprecher im Radio, dass Präsident Georges Pompidou eben die Mutterorden verliehen hat.

Dass sie lesbisch ist, weiß Delphine schon lange, ausleben konnte sie ihre Sexualität auf dem Land aber nur heimlich. Als sie Carole (Cécile de France) kennenlernt, eine junge, in der Frauenbewegung aktive Spanischlehrerin, verlieben sich die beiden und Carole verlässt ihren Freund.

Ihr Film, sagt die französische Regisseurin Catherine Corsini, sei eine Würdigung an die Feministinnen der 1970er Jahre, die heute so oft als „sexuell frustrierte Emanzen“ beschimpft würden. Und gerade lesbische Frauen wie Carole und Delphine hätten unglaublich viel für alle Frauen erreicht.

Also kämpfen ihre beiden Protagonistinnen in Paris gemeinsam weiter für die Gleichberechtigung – und zwar mit ziemlich viel Spaß. Sie werfen Kalbslungen auf Abtreibungsgegner und befreien einen schwulen Freund aus einer Nervenheilanstalt. Manchmal werden Konflikte der Frauenbewegung etwas gar lehrbuchmäßig erklärt, etwa wenn eine Frau aus der Politgruppe meint, sie könne jetzt auch nicht noch für die Rechte der Schwulen kämpfen und eine lesbische Frau antwortet: „Ich kämpfe ja auch für dein Recht auf Abtreibung, auch wenn ich demnächst nicht schwanger werde.“

Es gibt keine tragischen Entdeckungsszenen in „La Belle Saison“, keine großen Coming-Outs und auch die Sexszenen kommen unaufgeregt daher. Corsini inszeniert sie zurückhaltend und ohne den Voyeurismus, der etwa die Sexszenen in „Blau ist eine warme Farbe“ begleitete und der Filme mit lesbischen Hauptfiguren oft prägt. Sie sind in das gleiche, flirrende Licht getaucht wie die Demoszenen in Paris oder die elegischen Bilder des Landlebens, die den Film prägen.

Das Landleben verklärt der Film trotz dieser ästhetischen Bilder keine Sekunde. Als Delphine aufs Land zurückkehren muss, weil ihr Vater einen Schlaganfall hat und die Mutter den Hof nicht alleine bewirtschaften kann, folgt ihr Carole. Für Delphine ist das zu viel. „Ich kann nicht alles auf einmal schaffen“ sagt sie. Sich als Frau in einer dörflichen Männergesellschaft behaupten, wo sie bald als das Familienoberhaupt wahrgenommen wird, und als lesbisches Paar einen Hof führen.

© Alamode Film„La Belle Saison“ F 2015,
Regie: Catherine Corsini
Mit: Cécile De France, Izïa Higelin, Noémie Lvovsky,
105 Min., Start: 05.05.

Von diesen Konflikten erzählt Corsini leicht und angenehm klischeefrei, ihren Figuren gibt sie viel Raum für ihre Entwicklung. In Nostalgie verfällt sie nie. Und trotzdem muss man manchmal daran denken, dass Lesbisch sein auf dem Land auch heute oft noch nicht so einfach ist.