Von Azadê Peşmen

Content Note: Gewaltfreie Kommunikation, Triggerwarnung

An die Hip-Hop-Heads unter euch: Kennt ihr diese Aufkleber? „Parental Advisory: Explicit Lyrics.“ Mit ihnen wird vor Songtexten gewarnt, die potentiell jugendgefährdende™ Inhalte verbreiten. In den USA werden diese auf CDs geklebt, als gäbe es kein Morgen. Von vielen Songs gibt es dann noch eine radiotaugliche „clean version“, eine „saubere Version“, in der die bösen Schimpfwörter nicht genannt werden. Ich finde diesen Mechanismus, Kinder vermeintlich vor Bösem zu schützen genauso sinnvoll, wie so genannte „Triggerwarnungen“: Nämlich gar nicht.

Dieses Gefühl, wenn der innere Hulk ausbrechen will und Leute dir mit gewaltfreier Kommunikation kommen. © Tine Fetz
Dieses Gefühl, wenn der innere Hulk ausbrechen will und Leute dir mit gewaltfreier Kommunikation kommen. © Tine Fetz

Das erste Mal, als ich von Triggerwarnungen las (oder auch kurz: TW) habe ich ehrlich gesagt nicht so richtig verstanden, was das sollte. Ja klar, di*er Autor*in möchte es vermeiden, an bestimmte, retraumatisierende Ereignisse zu erinnern. Aber mal im Ernst: Alle mögliche Erinnerungen können retraumatisieren. Außerdem finde ich persönlich es häufig um einiges heilender, sich mit Situationen und Geschichten konfrontativ auseinanderzusetzen, statt ständig die Stiche zu vermeiden. Dingen aus dem Weg gehen zu können, ist übrigens auch ein Privileg, das man sich erst einmal leisten muss. Davon mal abgesehen, dass ich es auch ein wenig anmaßend fände, von mir aus zu entscheiden, was auf andere wie „schlimm“ wirken könnte. Ich glaube an agency, zumindest gehe ich erstmal davon aus, dass Menschen selbst entscheiden können und nicht für andere entscheiden. Jedes Mal wenn ich Triggerwarnung lese, denke ich: Mein ganzes Leben ist eine Triggerwarnung.

Im gleichen Atemzug mit der Triggerwarnung wird in Bestimmten Kreisen™ auch gerne mal von und mit GfK gesprochen. Gemeint ist nicht die Gesellschaft für Konsumforschung, sondern das Grauen namens Gewaltfreie Kommunikation. Das soll ja angeblich helfen, friedlicher miteinander umzugehen, bei mir (und nicht nur bei mir!) löst es ehrlich gesagt nur Aggressionen aus. Ich fühle mich durch diese Übervorsichtigkeit nicht ernst genommen. Vorweg: Ich möchte auch nicht angeschrien werden und ja, ich finde es auch angemessen, konstruktiv kritisiert und ohne zur Projektionsfläche anderer zu werden. Dafür brauche ich aber keine GFK, sondern in erster Linie eines: Respekt voreinander. Und das ist meiner Meinung nach das Hauptproblem, dass Gewaltfreie Kommunikation nicht lösen wird – mangelnde gegenseitige Wertschätzung nämlich.

Stattdessen meinen GFK-Fans, Sätze, die mit einer ruhigen, besänftigenden pädagogisch anmutenden Stimme sagen: „Ich würde mir wünschen, dass …“ sind die Lösung.
GFK soll eine Ebene der bedürfnisorientierten Kommunikation schaffen. Keine Bewertungen, keine Personalisierungen, immer in Ich-Botschaften sprechen, etc. pp. Das Ganze soll dann besonders wertschätzend sein. Wenn ich jemanden wirklich wertschätze, dann sage ich offen, ehrlich und ohne sprachliche Zwangsjacken, was ich über die Person denke. Im Gegenteil, GFK reproduziert für viele eine immer wieder kehrende Abwehrstrategie, denn diese Methode ist nichts anderes als: Reiß dich mal zusammen! Nicht in diesem Ton! Sei mal nicht so wütend/emotional/was auch immer. Bitte nur nach dem GFK-Muster Kritik äußern! Das nennt man auch Tone-Policing: inhaltliche Kritik wird abgewehrt, in dem man sie auf den Ton reduziert.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum alle so eine Angst vor der Emotion „Wut“ haben. Ist das ein christliches Problem? Wut ist eines der gehaltvollsten und produktivsten Gefühle überhaupt. Ohne das Aufeinandertreffen von wütenden Menschen entsteht kein Konflikt und ohne Konflikt gibt es keine Lösung(sansätze). Es ist eine, wenn nicht sogar die Triebkraft sozialer Bewegungen, das zeigt der Blick ins Geschichtsbuch. Es ist das, was Menschen dazu bewegt, für ihre Rechte einzustehen und sie zu erkämpfen. Wer Gewalt erlebt, hat meist keine Zeit, erst einmal ein paar GFK-passende Sätze zu formulieren. Deshalb verwundert es mich umso mehr, dass dieser sprachliche Zwang in Kreisen™ genutzt wird, die sich selbst im alternativen Bewegungsmodus verorten. Das kann aber auch möglicherweise daran liegen, dass sich gerade dort diejenigen zusammenfinden, die beim Intersektionalitätscheck kaum ein Kästchen ankreuzen. Nur so eine hypothetische Vermutung, zu einem Kommunikationscode, der von Marshall B. Rosenberg, einem weißen Mann erfunden wurde.

Bei aller Liebe: Wenn jemand scheiße ist, dann ist er*sie scheiße und dann will ich das auch sagen können dürfen. Kritik ist in den seltensten Fällen so gemeint, dass die komplette Person abgelehnt wird, es ist meist nur eine Eigenschaft, eine Angewohnheit, eine Handlung, die stört. Das ist kein Beinbruch. Mund abwischen, weitermachen, würde Oliver Kahn jetzt vermutlich sagen.