Von Hengameh Yaghoobifarah

Nach dem Erfolg der ersten Soli-Party im Herbst findet am Sonntag im SchwuZ* die zweite „Refugees Welcome“-Sause statt. Mit über 30 DJs werden dieses Mal die beiden Projekte „MILES – Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe von LSBTI*-Migrant_innen“ sowie die queere Unterkunft in Berlin-Treptow. Missy präsentiert die Party mit und sprach mit Christoph Mann und Dima Povernov von der Schwulenberatung über die LGBTQI-Unterkunft.

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MISSY: Die Schwulenberatung initiiert ein Heim für LGBTQI-Geflüchtete. Warum ist das notwendig?
Schwulenberatung: Unter den Geflüchteten, die in Berlin ankommen, gibt es natürlich auch LGBTQI. Viele von ihnen erfahren auch in den Geflüchtetenheimen Diskriminierung und zum Teil Gewalt. Einer unserer Bewohner begegnete zum Beispiel  in der Unterkunft denselben Leuten, die ihn zu Hause drangsaliert haben. Statt Sicherheit und Entspannung haben also viele unserer Bewohner*innen Diskriminierung, Verfolgung und Gewalt auch in Deutschland erlebt. Deshalb ist die queere Geflüchtetenunterkunft Treptow ein sicherer Ort, in dem LGBTQI zur Ruhe kommen können.

Wie seid ihr aufgestellt, wer ist im Projekt involviert?
Im Projekt sind über 150 Ehrenamtliche Menschen engagiert. Sie stellen ihre Freizeit für die Essensausgabe, Sprachunterricht, Hauswirtschaft Begleitungen und Freizeitangebote zu Verfügung. Neben der Heimleitung gibt es fünf Sozialarbeiter*innen in Teilzeit. Für die Sicherheit sorgt ein Sicherheitsdienst. Und dann gibt es noch etliche Menschen in der Schwulenberatung Berlin, die am Anfang das Ganze zusätzlich zu ihren normalen Aufgaben mit aufgebaut haben und die jetzt weiter unterstützen. Im Netzwerk gibt es HIV-/STI-Beratung, psychologische Betreuung, Inter- und Trans-Beratung. Um uns herum unterstützen queere Gruppen die Unterkunft durch Fundraising und aktive Mithilfe, und auch lokale Gruppen im Kiez haben uns ein warmes Willkommen bereitet und gestalten nun Projekte gemeinsam mit uns.

Wie läuft es bisher?
Prima – nach anfänglichen Schwierigkeiten mit der Baufreigabe können wir nun 122 Plätze belegen. Und 53 Menschen wohnen bereits hier.

Auf welche Bedürfnisse achtet ihr bei diesem Projekt?
Wir starten mit den Grundbedürfnissen wie Essen, Trinken, Wärme und auch (sicherem) Sex (es gibt gratis Kondome).  Sicherheit ist enorm wichtig: Besucher*innen werden von den Besuchten an der Tür abgeholt, die Security zeigt Präsenz, die lokale Polizei ist sensibilisiert. Den sozialen Bedürfnissen wird durch Gruppenangebote (Spieleabende, Museums- und Theater-Besuchen, aber auch der Vermittlung von queeren Sportangeboten) Sorge getragen. Wir bemühen uns allen Bewohner*innen Anerkennung zukommen zu lassen. Und wünschen uns, dass alle selbstbewusste Berliner*innen werden/bleiben.

Es gibt aus den verschiedenen Communities Kritik an Lagern und die Arbeit, sie abzuschaffen. Ist ein LGBTQI-Lager dann eine produktive Lösung oder vielleicht eher eine Übergangsstrategie?
Das erste Konzept der Schwulenberatung Berlin für die Unterbringung der LGBTQI Menschen war ein dezentrales in Wohnungen. Dieses Konzept wurde  damals nicht genehmigt. Daher sind wir sehr froh über dieses Gebäude, das als Wohnhaus konzipiert ist. Wir versuchen hier in der queeren Geflüchtetenunterkunft so wenig wie möglich Lager-Gefühl aufkommen zu lassen. Die Bewohner*innen leben in Wohngemeinschaften zu dritt, viert oder höchstens sechst zusammen. Die Gemeinschafts-Flächen sind als Kuschelecke (im Basement) oder bunt im Essensbereich gestaltet.

Wie stellt ihr sicher, dass die Hierarchien zwischen den Mitarbeiter*innen und den Geflüchteten weitestmöglich abgebaut werden und beispielsweise kein Rassismus oder keine Transfeindlichkeit im Umgang miteinander reproduziert wird? 
Schon in der Zusammensetzung des Teams  wurde  großer Wert auf Transkulturalität und unterschiedliche Professionen und Hintergründe  gelegt. Aber bestehende Hierarchien in dieser Unterkunft zu leugnen, wäre verkehrt und sie lassen sich unter diesen Begebenheiten auch nicht gänzlich abbauen. Unser Anspruch ist  aber eine selbstkritische Haltung, wir reflektieren uns in den  Teamsitzungen und regelmäßigen Supervisionen  und wollen aus Fehlern, die wir selbstverständlich machen, lernen.