Von Olja Alvir

Wenn viele rechte und rechtsextreme Personen in den Medien auftreten, bedeutet das auch viele – meist scheinheilige – Fragen über Ethik in der Berichterstattung. Vielleicht eine AfD-freie Woche im Deutschen Fernsehen verordnen? Und wie über die regelmäßigen gewaltsamen Übergriffe der rechtsextremen, sogenannten „Identitären“ in Österreich berichten – besser ignorieren?

© Tine Fetz
Monologshow. © Tine Fetz

„Das ist doch genau das, was sie wollen, diese ganze Aufmerksamkeit!“, beten die Medienexperten (hier bewusst nicht gegendert) vor. Gleichzeitig sind genau diese Männer in Führungspositionen dann übrigens jene, die AfD, SVP oder Martin Sellner, selbsternannter „Kopf“ der „Identitären Bewegung Österreich“, in ihre eigenen Sendungen einladen.

Fern von Markenschaffing und Profilschärfing (das naturgemäß auch Journalist*innen nicht fern ist) stellen sich schon seit spätestens den Neunzigern Fragen dazu, wie Medien mit (Neo-)Nazis, Rechten und Rechtsextremen umgehen, die wir noch immer nicht abgehandelt haben: Wann berichtet man über die Rechten? Wie berichtet man kritisch über die Rechten und vermeidet, sie ihre Inhalte platzieren zu lassen? Und nicht zuletzt: Nutzt nicht vielleicht sogar jedes Berichten über Rechte genau ihnen?

Es gibt, wie oben grob charakterisiert, nun jene, die finden, man sollte rechte „Lausbubenstreiche“ und „Profilneurosen“ einfach ignorieren, da diese ja nur Aufmerksamkeit wollten. Wie bei einem Kind, das nach einem teuren Spielzeug schreit oder wieder mal die Nacht nicht durchschlafen will: ignorieren. (Das letztere Beispiel hier sollte schon für sich sprechen, was die Gefahr dieser Methode angeht.) Natürlich wollen AfD, FPÖ und Identitäre Aufmerksamkeit. Guten Morgen. Jede politische Partei, jede politische Bewegung will das.

Abgesehen von der Null-Aussage, die diese „Analyse“ darstellt: AfD-„Ausrutscher“, FPÖ-„Skandalmeldungen“ und Identitären-„Aktionen“ medial zu verschweigen, wäre fahrlässig. Mehr noch – man macht sich zur Mittäterin. Medien, die keine Kollaborateur*innen der rechten Narrative werden wollen, müssen berichten, was hinter diesen Vereinigungen steckt. Und zwar dadurch, dass ihre Gesinnung als das geframed wird, was es ist: Gewalt. In München hat ein Wirt etwa eine Raummiete der AfD gekündigt, nachdem er die Berichte über ihren Parteitag gesehen hatte.

Klingt doch gut, oder? Genau. Nur eines steht einer umfassenden und verantwortungsvollen Berichterstattung im Weg, und jetzt müsst ihr ganz stark sein: der Kapitalismus.

Medien sind Unternehmen. (I know, mind blown!) Und als Unternehmen im Kapitalismus sind sie woran interessiert? Bingo: Gewinn. Medien haben zwar Blattlinien und verschiedene moralische bzw. Rollenvorstellungen. Aber worum es einem Unternehmen im Kapitalismus geht, ist Money, Money, Money. Let that sink in. (Sonst wären ja alle Medien gemeinnützige Vereine, nicht?)

Da ist es zwar herzig, dass Medienhäuser sich irgendwelchen (meist nichtssagenden und fast immer ohne Konsequenzen bleibenden) Ehrenkodices unterwerfen. Das soll moralisches Rückgrat simulieren, Vertrauen erwecken und den Eindruck einer höheren Instanz schaffen.

Die wichtigste und höchste Instanz für Massenmedien ist jedoch der Profit. Massenmedien sind Wirtschaftsunternehmen und ihr Produkt sind Nachrichten. Sie wählen Informationen nicht nur nach Wahrheitsgehalt oder Ausgeglichenheit aus, sondern nach einer durch sie selbst festgelegten „Relevanz“. Und weil diese „Relevanz“ subjektiv ist und außer räumlichen und zeitlichen kaum anderen Faktoren untergeordnet, ist eben jenes relevant, was die höheren Quoten erzielt, mehr Anzeigenkund*innen bringt und viele Klicks erzeugt. Mit einer solchen Auswahl kuratieren die Journalist*innen eine Realität – eine Realität, die natürlich wie die Gesellschaft hauptsächlich rassistisch und sexistisch ist.

Häufige AfD-Auftritte und Wortmeldungen von FPÖler*innen lassen ein Bild ihrer gesellschaftlichen Relevanz entstehen und wachsen. Jede Talkshow ist mittlerweile eine Monolog-Show, in der die Moderator*in von der Journalist*in zur Redezeitverwalter*in wird und die allerradikalsten Meinungen in Formen umstrittener Persönlichkeiten aneinanderknallen sollen. Warum? Weil das am meisten Action und somit Kassenklingeln bringt.

Medien sind keine Charity-Vereine (auch wenn sie das ihren unterbezahlten Angestellten gegenüber gerne andeuten), die euer Geld und Vertrauen für einen „wichtigen“ Zweck brauchen, sie sind auch keine vierte Gewalt im Staat … Sie sind ein – Gerät – zur Erhaltung der aktuellen Ordnung.

Aber was ist denn mit Investigativjournalismus, fragt ihr? Da frage ich zurück: Warum leben wir in einer Gesellschaft, die Investigativjournalismus braucht? In einer, die Notstände skandalisiert (verkauft sich übrigens auch super), bevor sich etwas ändert. Oder noch eher: bevor sich NICHTS ändert. Wie war das noch mal mit den Panama Papers oder der NSA? Was genau läuft jetzt in den Bereichen plötzlich anders? Für die durchschnittliche Arbeiter*in, zum Beispiel? Auf emanzipatorische Pfade (Feminismus, Trans-Themen) begeben sich Massenmedien auch nur, wenn es dem Markt gerade genehm ist. Danke Beyoncé, danke Caitlyn Jenner.

Also: Die Massenmedien sind im Kapitalismus für emanzipatorische Kämpfe keine verlässlichen Partner*innen. Versteht mich nicht falsch: Es gibt so viele tolle, scharfsinnige und engagierte Journalist*innen da draußen, die bestimmt auch solidarisch sind. Doch auch sie sind durch Lohnabhängigkeit an die Funktionsweisen ihres Metiers gebunden.

Was nun? Ja, früher dachte ich, wir müssten selbst mehr (unabhängige) Medien, Content und Netzwerke produzieren, um das Ungleichgewicht zu kippen. Viele Repressions- und Mordfälle der letzter Zeit, etwa jene, bei denen Misshandlung durch Polizisten eindeutig auf Video aufgenommen worden waren, sprechen dagegen: Wir können offenbar protokollieren, wie viel wir wollen, wir sitzen meist trotzdem am kürzeren Ast. Vielleicht ist Medienarbeit nicht immer so lohnend, wie wir uns gerne vorstellen möchten. The revolution will nämlich not be medial herbeigeschrieben.