Von Olja Alvir

„Ich verstehe mich einfach besser mit Männern, ich weiß auch nicht“ – so eine war ich auch einmal. Ich rühmte mich regelrecht damit, größtenteils männliche Freunde zu haben und droppte die „ist halt einfach weniger Drama“-Line, so oft ich nur konnte, angebracht oder nicht. Ich stempelte Frauen-Freund*innenschaften als kindisch, als „girly“, als Formsache ab. Zwar hatte ich auch ein, zwei wichtige weibliche Ansprechpersonen, aber diese waren für mich kaum identitätsstiftend. Ich fühlte mich in meiner Position als Männer-Freundin besonders und genoss diese in meinem Kopf konstruierte Abweichung vom Mainstream. Vielleicht war ich sogar Antifeministin.

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Freund*innenschaft heißt … niemals voreinander performen zu müssen. © Tine Fetz.

Es war die Zeit, ungefähr ab dem 12. oder 13. Lebensjahr, wo Nähe zwischen Mädchen bzw. Frauen gesellschaftlich langsam sexualisiert wurde. Was vor einem Jahr noch keines Kommentares gewürdigt wurde, wurde nun genau beobachtet, kategorisiert und sanktioniert. „Haha, Lesben!“, würden die Klassenkolleg*innen spöttelnd kichern, wenn beste Freund*innen nun Händchen halten oder miteinander kuscheln würden. Das Resultat: Wichtige Formen von Nähe gehen verloren, nur damit Verhaltensweisen auf keinen Fall homosexuell interpretiert werden könnten.

Diese Nähe zu anderen Frauen, die ich aus meiner Kindheit kannte, die habe ich eigentlich seit diesem Zeitpunkt nie mehr herstellen können. In der Pubertät war es natürlich superwichtig, wie Männer mich sehen und beurteilen. Im frühen Erwachsenenalter entwickelte ich dann zwar ein Selbstbewusstsein für den eigenen Körper und das eigene Denken, aber gleichzeitig fing ich an, insbesondere gleichaltrige, mir von den Interessen oder beruflich ähnliche Frauen – gerade die, die doch perfekt wären für Freund*innenschaften! – als Bedrohung wahrzunehmen. Internalisierte Misogynie aufzuarbeiten und abzubauen dauerte ewig, ewig. Und heute? Stehe ich vielleicht klüger da als zuvor – aber dafür ohne beste Freundin.

Ja ja, in den Zwanzigern neue Freund*innenschaften schließen und vor allem wie das nicht geht – das ist ein im Feuilleton und diversen Hipstermedien mächtig wiedergekäutes Thema. Allerdings wird meines Erachtens in diesen Analysen der Genderaspekt meistens vergessen. Es ist nicht vollkommen meine Schuld, dass ich jetzt ohne beste Freundin dastehe, die Desolidarisierung, Isolation und das Konkurrenzdenken ist im Patriarchat durchaus gesellschaftlich so gewollt und forciert.

Freund*innenschaften aus der Schule oder Kindheit mögen etwas Besonderes sein, weil man aneinander und miteinander wächst. Bekanntschaften (schon alleine das Wort – das würden Kinder und Jugendliche auch nie verwenden) aus dem Erwachsenenleben müssen schon zu Beginn viele Tests bestehen, schließlich hat man für diesen Wachstumsprozess keine Zeit (und oft keine Energie) mehr. „Man sollte sich schon kennen, bevor man sich kennenlernt“, sage ich dazu gerne. Und meine damit, dass ich potenzielle Freund*innen schon sehr früh abtaste – ist die Person Feminist*in, Kommunist*in, Katzenliebhaber*in, Slyther*in, dies das.

Als ich erfuhr, dass mit Hey! VINA und Monarq Netzwerke gelaunched wurden, die Frauen helfen sollen, neue Freund*innen zu finden, war ich begeistert. Genau so etwas brauchte ich! Meine Erfahrungen mit OkCupid als Hetera, wo man ebenfalls „looking for friends“ einstellen kann, sind da eher bescheiden: Ein Mal schrieb ich mit einer netten Wienerin aus Jugoslawien hin und her. Nach einem Monat circa verschwand ihr Profil plötzlich von der Plattform, bald dann auch meines: Trotz allem natürlich zu viele ungewollte, unpassende Nachrichten von Dudes. Auch Hey! VINA und Monarq haben so ihre Startschwierigkeiten, aber wenigstens geht in Sachen Kontaktaufnahme zwischen Frauen etwas weiter.

Ich habe allerdings zusätzlich zur Kontaktaufnahme das Problem, dass ich nicht mehr so gut abschätzen kann, wann und vor allem wie ich eine Bekanntschaft mit einer anderen, coolen Frau (oder, for that matter, allen Nicht-Cismännern) auf eine intimere Ebene heben kann. Es bleibt also oft bei guten Arbeitskolleg*innen, zum Grinsen bringendem Twitter-Austausch oder einer Zigarette nach der Vorlesung.

Aber ich persönlich möchte das heute eigentlich schon, auch mal meine Freund*innen in den Arm zu nehmen, ihre Hand zu halten, mich auch körperlich und nicht nur geistig bei ihnen anlehnen zu dürfen. Ich möchte Pyjama-Partys, stundenlange Telefonate, Kichern über Insiderwitze. Ich will jemanden, vor der ich nicht performen muss. Jemanden, zu der ich in keiner ironischen Distanz stehen muss. Ja, mir egal, ob das jetzt kindisch klingt, aber ich will Tränen und Trösten im Club, liebe Einträge im Tagebuch, tausend am Sofa vertratschte Tage.

Weil ich habe endlich verstanden: Wenn mich Leute in meinem Leben, ob emotional oder beruflich, unterstützt haben, waren es zu 99,9 Prozent Frauen. Wir sind, wir müssen füreinander da sein. Also, wenn du zufällig meine neue (alte) beste Freund*in bist und das liest – sei doch so nett und meld dich.