Von Amelia Umuhire

Neuerdings tummeln sich in meinem Posteingang eigenartige Betreffzeilen rum. Neben den avaaz Hiobsbotschaften und diversen Newslettern haben sich hippe Nachbarn angesiedelt. Sie sind kurz, sehr professionell und achten auf Groß- und Kleinschreibung. Meistens sind es Organisationen oder Kooperativen mit kreativen, nüchternen Namen. In der Signatur haben sie meist kleine Logos ähnlich denen, die manche Industriehöfe Kreuzbergs schmücken.

Diversity-Stockfoto: weiße Hände fügen ein buntes Puzzle zusammen. © Tine Fetz
Diversity-Stockfoto: weiße Hände fügen ein buntes Puzzle zusammen. © Tine Fetz

In den E-Mails folgen dann mehrere höfliche Zeilen, bevor es zum Punkt kommt.

von: Berlin sawa e.v.

RE: Anfrage: Vortrag „Diversity Macht Schule“

……….ihre Arbeit gesehen………..Repräsentation ist wichtig…Diversity leben…..Wir würden uns über einen Beitrag einer Women of Color freuen, …………………ein kleines Honorar von 150 Euro können wir bereitstellen.

Der Preis meiner diversen Women of Color Seele ist aktuell bei mindestens 70 Euro angesiedelt, also bin ich prinzipiell schon mal nicht abgeneigt. Es braucht außerdem auch mehr von uns in solchen Orten und jede Sichtbarkeit ist ja erst mal gut. Der Titel könnte subtiler sein, aber vielleicht bin ich auch einfach nur zynisch. Außerdem 150 Euro für zwei Stunden, vielleicht sind dann auch geile Stiefel für den Winter drin. Und während meine Gedanken so kreisen, habe ich schon automatisch eine Zusage eingetippt.

An: Berlin sawa e.v.

Danke für……….habe auf jeden Fall großes Interesse.

…………Viele Grüße

Da ist sie wieder. Diversity, die kleine hippe Schwester von Integration. Die beiden wuchsen im gleichen Elternhaus auf. Klar, Diversity ist ein bisschen jünger, ein Digital Native, aber ich bin ein bisschen misstrauisch. Erinnert ihr noch daran, wie sich Integration in unseren Alltag einschlich und plötzlich Teil des nationalen Wortschatzes wurde? Zunächst noch eine wohlgemeinte Forderung nach mehr Integration von Menschen mit Migrationshintergrund wurde daraus plötzlich eine Forderung der deutschen Mehrheit an die Minderheiten, sich doch gefälligst „richtig“ zu integrieren.

Irgendwann kamen dann im heutigen iPhone-Tempo neue Kombinationen heraus. Angekündigt in der „Tagesschau“, begleitet von den ewig gleichen Bildern von Stadtteilen, Hinterköpfen, kriminellen Statistiken und manchmal auch Bushido.

Integrationskurs

                         Test

                               Verweigerung

                                      Mangel

                                                   Wille

                                                             Preis (Bushido)

Ich weiche ab.

Am Tag der Veranstaltung peile ich ein Outfit an, das sich zwischen Olivia Pope aus „Scandal“ und Annalise Keating von „How to Get Away With Murder“ bewegt und freue mich darüber, dass mich so viele andere WoC im Herzen und durch ihre direkte Mitarbeit an meinem Zara/Mango Look empowern.

Dort angekommen, bin ich gleich am Anfang dran. Ich erzähle der weißen Menge von der Macht der Repräsentation und stocke bei jedem Satz, den ich mit „wir“ beginne. Denn oftmals bedeutet Diversity, sich allein in weißen Räumen wiederzufinden, um dann als  Einzige eine Masse zu vertreten.

Am Ende gibt es meist überproportional Lob, ungeschickte Schulterklopfer und wir einigen uns darauf, dass es zwar viel zu tun gibt , wir aber auf dem besten Weg sind. Meine Anwesenheit dient als Beweis. Wir verabschieden uns im Guten.

Im Taxi nach Hause (#gönnung) gehe ich noch schnell meine Mails durch. Ich warte noch auf eine Zusage für einen Film-Workshop, den ich in wenigen Tagen leiten sollte. Bei dem Workshop wurden sieben Filmemacher*innen aus Kamerun von der Filmarche nach Berlin eingeladen, um sich mit deutschen Filmemacher*innen zu vernetzen und auszutauschen. Ich freue mich schon seit Wochen drauf. Auch weil es dabei endlich nur um die künstlerische Arbeit geht und nicht um wohlgemeinte Maßnahmen.

Doch leider erfahre ich, dass der Workshop abgesagt wurde. Die Filmemacher*innen haben allesamt kein Visum erhalten , da – so teilt die deutsche Botschaft in Kamerun mit – keine ausreichende Rückkehrbereitschaft erkennbar war.