Von Sophie Charlotte Rieger

Bei der Verleihung ihres ersten Nobelpreises bleibt Marie Curie neben ihrem Mann Pierre noch eine Randfigur. Doch als dieser kurz darauf verstirbt, ist die Physikerin und zweifache Mutter gezwungen, sich ohne männliche Begleitung in der Wissenschaft durchzusetzen. Damit setzt Regisseurin Marie Noëlle das Biopic über die polnisch-französische Physikerin und Chemikerin an genau der richtigen Stelle an – nämlich dort, wo die junge Frau die Bühne der Forschung allein bespielt. Auch entgeht der Film auf diese Weise der Gefahr, sich zu sehr auf die Ehe Marie Curies zu konzentrieren, und schafft stattdessen Raum für deren beeindruckenden Kampf um Anerkennung in der von Männern dominierten Welt der Wissenschaft.

© P'Artisan Filmproduktion
© P’Artisan Filmproduktion

Noëlle komponiert wunderschöne, poetische Bilder, um die Innenwelt ihrer äußerlich spröden Protagonistin erfahrbar zu machen, und vermittelt damit mehr als nur biografische Informationen. Doch leider tappt die Regisseurin in ebenjene sexistische Falle, die sie auf den ersten Blick zu kritisieren scheint. Auffällig viele Nacktbilder und eine irreführend bedeutsam inszenierte Affäre Marie Curies mit ihrem Kollegen Paul Langevin schmälern den Respekt für die Figur und lassen die Wissenschaftlerin hinter der Frau als Anschauungsobjekt zurücktreten.

© P'Artisan Filmproduktion„Marie Curie“ (DE/PL/FR 2016)
Regie: Marie Noëlle. Mit: Karolina Gruszka, Charles Berling, Arieh Worthalter u. a., 95 Min., Start: 01.12.

Insbesondere im letzten Drittel des Films geht es zu wenig um Curies berufliche Erfolge, die ihr immerhin als erster Person überhaupt einen zweiten Nobelpreis einbringen, stattdessen um den Skandal, den ihr Liebesleben auslöst. Auch wenn „Marie Curie“ in vielerlei Hinsicht Kritik an patriarchalen Gesellschaftsstrukturen übt, ist der Film letztendlich nicht in der Lage, die Biografie der titelgebenden Heldin mit dem angemessenen Respekt für ihr Lebenswerk zu erzählen. In Anbetracht der emanzipatorischen Siege Marie Curies, wie beispielsweise ihre Lehrtätigkeit an der Sorbonne, ist dies trotz des grundsätzlich gelungenen Films ein echter Wermutstropfen.