Von Maxi Braun

Schreibmaschinen-Stakkato, auf Papier kritzelnde Bleistifte, klingelnde Telefone, klackernde Wählscheiben und Telexmaschinen: Schon die ersten Einstellungen von „Good Girls Revolt“ kreieren ein Gefühl wohliger Nostalgie aus einer Zeit, als Journalismus noch ein Handwerk und Recherche mehr als eine Wikipedia-Stippvisite war. Die Sequenz zeigt die Redaktion der New Yorker Zeitschrift „News of the Week“ 1969. Draußen auf der Straße wird für den Frieden und gegen den Vietnamkrieg protestiert, Malcolm X und Martin Luther King sind bereits ermordet worden, die Schwarze Bürgerrechtsbewegung wehrt sich gegen die seit dem Civil Rights Act 1964 gesetzlich illegale Diskriminierung.

© Amazon Studios
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Wie schon „Mad Men“ glänzt auch „Good Girls Revolt“ in Ausstattungen und Kostümen und fängt den Zeitgeist der ausgehenden 1960er-Jahre perfekt ein. Es wird genauso viel gesoffen, geraucht und gekifft. Aber anders als in Matthew Weiners „Mad Men“ dient die Emanzipationsgeschichte der Protagonistinnen hier als Antrieb der Handlung.

Bei der Zeitschrift „News of the Week“ arbeiten Frauen traditionell den ausnahmslos männlichen Reportern zu. Sie recherchieren und liefern Zusammenfassungen, die teilweise wörtlich von den Reportern übernommen werden, die oft weniger talentiert sind, aber dreimal so viel verdienen. Denn hier gilt die Regel: Frauen schreiben nicht. Punkt. Ob sie es können oder wollen, steht nicht zur Debatte. Ein Artikel mit weiblicher Urheber*innenschaft ist zumindest bei „News of the Week“ undenkbar.

„Good Girls Revolt“ erzählt, wie die Rechercheurinnen, die ausschließlich für die Reporter arbeiten, beginnen, gegen diese Praxis zu kämpfen, und wie sie sich angeführt von den Protagonistinnen Patti, Cindy und Jane zusammenschließen, um juristisch dagegen vorzugehen. Freigeist Patti (Genevieve Angelson) verfügt über investigativen Instinkt und fliegt für eine Recherche lieber heimlich nach San Francisco, als die Eltern von Reporter und On-Off-Freund Dough (Hunter Parrish) kennenzulernen. Ihre Freundin Cindy (Erin Darke) hat einen Deal mit ihrem Ehemann, ein Jahr lang arbeiten zu dürfen, bevor sie schwanger wird. Jane (Anna Camp), Tochter aus reichem Hause, wartet auf den Antrag ihres Vorzeigefreundes und spart sowohl Ambitionen als auch Jungfräulichkeit für die Ehe auf. Als zunächst Patti und Cindy die Bürgerrechtsanwältin Eleanor Holmes Norton treffen, fassen sie den Entschluss, möglichst viele Kolleginnen zu einer formellen Beschwerde gegen ihre Arbeitgeber zu mobilisieren.

Die Serie basiert auf den Erfahrungen und dem 2012 erschienenen Buch „The Good Girls Revolt: How the Women of Newsweek Sued their Bosses and Changed the Workplace“ der Journalistin Lynn Povich. Ihre Karriere begann als Assistentin bei der Zeitschrift „Newsweek“, bei der sie nach einer erfolgreichen Sammelklage erst als Reporterin und später als erste Chefredakteurin des Blattes arbeitete. Die Analogie zur „News of the Week“ ist offensichtlich, auch wenn fast alle Figuren frei erfunden sind. Der Reiz der Serie liegt daher nicht in der vorhersehbaren Story, denn die erste Staffel steuert unabwendbar auf die offizielle Beschwerde gegen die Zeitschrift hinaus. Spannend sind die (Irr-)Wege, die die ausnahmslos hervorragend besetzten Charaktere bis dahin nehmen. Cindys sexuelle Selbstermächtigung oder die Entfesselung Janes innerer Karrierefrau sind die bemerkenswertesten Metamorphosen.

Die sorgfältige Figurenzeichnung von Schöpferin Dana Calvo verhindert, dass „Good Girls Revolt“ um Intrigen oder Konkurrenz zwischen den auf den ersten Blick archetypischen Frauen kreist. Die Sensibilität für die Diskriminierung entwickelt sich bei jeder einzelnen von ihnen durch individuelle und kollektive Erfahrungen im Arbeitsalltag und im Privatleben. Diese Erfahrungen machen schon beim Zuschauen richtig wütend: Permanent werden die Protagonistinnen auf ihr Aussehen reduziert, die Protagonistin Cindy erlebt einen Übergriff durch ihren Ehemann, der ihr Diaphragma durchsticht. „Good Girls Revolt“ macht aber auch die viel subtileren Modi des Sexismus sichtbar: angefangen bei der ständigen, gut gemeinten Aufforderung an Jane, ihr hübsches Lächeln zu zeigen, bis zu der Selbstverständlichkeit, mit der die voll berufstätige Cindy auch den Haushalt zu schmeißen hat, einfach nur, weil sie eine Frau ist. In diesen Momenten ist die Serie nicht nur eine lebendige Beschreibung des damaligen Zeitgeistes und historischer Ungerechtigkeiten, sondern allzu nah an unserer Gegenwart.

„Good Girls Revolt“ steht auch für einen Feminismus, der sich mit anderen sozialen Bewegungen verbindet. In keiner Szene wird das so deutlich wie in der, als die Schwarze Protagonistin Denise zögert, sich der Beschwerde anzuschließen, weil sie in einer fast ausschließlich weißen Redaktion schon genug zu kämpfen habe. Anwältin Eleanor Holmes Norton vergleicht daraufhin die Lage von weißen und Schwarzen Frauen, beide in einem gesellschaftlichen Korsett gefangen: „The box of white women might be a bit more comfortable but it’s still a box!“ Andere soziale Thematiken wie Antisemitismus, die Aktionen der Black-Panther-Bewegung oder posttraumatische Belastungsstörungen von Kriegsveteranen werden zwar nur gestreift, aber trotzdem aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.

Der hohe Differenzierungsgrad zeigt sich schließlich auch an den männlichen Charakteren. Statt sie als eindimensionale Testosteron-Schleudern grobzuzeichnen, werden vor allem Pattis Freund Dough oder Chefredakteur Finn Woodhouse (Chris Diamantopoulos) als Produkt ihrer Zeit dargestellt. Sie verstehen sich als gute, einfühlsame Gentlemen und verzweifeln daran, dass es den Frauen nicht mehr länger reicht, bloß charmant behandelt zu werden. Aufgrund ihrer eigenen privilegierten Stellung fehlt ihnen das Verständnis für die weibliche Situation, auch wenn sie sich wiederholt öffnen und durch ihr persönliches Interesse an den starken Frauen schon eine Abkehr vom Machotypus markieren.

„Good Girls Revolt“ gelingt anhand einer historischen Begebenheit eine Momentaufnahme der Frauenbewegung der ausgehenden 1960er-Jahre und zeigt den Feminismus als Gemeinschaftsprojekt, das nicht isoliert für sich kämpft, sondern Schnittpunkte mit anderen sozialen Bewegungen aufweist. Hochwertig produziert und mit einem sehr guten Cast, der in einer spannenden Narration agiert, ist es kaum überraschend, dass die erste Staffel von Kritik und Publikum gut aufgenommen wurde.

© Amazon StudiosGood Girls Revolt“ USA 2016. Idee: Dana Calvo. Mit: Genevieve Angelson, Anna Camp, Erin Darke, Hunter Parrish, Chris Diamantopulos, Jim Belushi u.a.

Unverständlich hingegen, dass jetzt Schluss sein soll – zumindest bei Amazon. Bleibt zu hoffen, dass die bisher produzierende Firma Sony Pictures Television das Konzept verkauft bekommt. Ein Userkommentar auf Deadline.com zum Serienende merkt sinngemäß an, dass Amazon Genderpolitik glücklicherweise nicht über das Programm entscheiden lasse und zu Recht eine Serie absetzte, die aufgrund ihrer Thematik für die (männliche) Hälfte der Menschheit komplett belanglos wäre. Ein guter Beleg dafür, dass solche Serien nicht nur von künstlerischem Wert sind, sondern auch 2016 bitter nötig.