Von Johanna Bröse und Hannah Schultes

Journalistinnen arbeiten in der Türkei unter schwierigen Bedingungen – als Frauen in einer männerdominierten Branche und als unabhängige Reporterinnen unter dem Erdoğan Regime. Vier Journalistinnen erzählen.

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Nach einen Bericht von Reporter ohne Grenzen herrscht „ein nie gekanntes Ausmaß“ an Repression gegenüber Journalist*innen © Sonya Kamoz/Fotolia

OHAL. Diese vier Buchstaben stehen als Abkürzung für den Ausnahmezustand in der Türkei, der nach dem Putschversuch am 15. Juli 2016 verhängt wurde und der die Grundrechte der Bürger*innen stark einschränkt. So ermöglicht er den staatlichen Organen, den Druck und den Verkauf von Zeitungen, Magazinen oder Büchern sowie den Betrieb von TV- und Radiostationen zu untersagen, „wenn sie eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen“. Die Folge: Bis Ende September wurden 125 Printmedien, Radio- und Fernsehsender sowie 29 Verlagshäuser geschlossen, Berichte von gesperrten Webseiten häufen sich. Offiziell sollen die Verbote Medienorgane der Gülen-Bewegung zerschlagen, mittlerweile stehen verstärkt linke und prokurdische Medien im Fokus.

Nach Angaben der unabhängigen Plattform P24 sind derzeit 120 Journalist*innen angeklagt oder ohne Anklage inhaftiert. Journalist*innenverbände und Gewerkschaften zählen über 2.300 Journalist*innen, die ihre Arbeit verloren haben. Es herrsche, so Reporter ohne Grenzen in einem Bericht, „ein nie gekanntes Ausmaß“ an Repression gegen über Journalist*innen, in einem Land, das bereits zuvor im Ranking zur weltweiten Pressefreiheit den 151. Platz unter 180 Ländern belegte. Journalist*innen, die kritisch berichten, werden u. a. der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. beschuldigt – gemeint ist die kurdische Arbeiterpartei PKK. Im Südosten der Türkei ist das repressive Vorgehen Erdoğans nach dem Putschversuch für Kurd*innen nichts Neues. Seit dem Syrienkrieg lebt der Großteil der insgesamt 2,7 Millionen syrischen Geflüchteten hier. Ende 2015 fanden diese sich erneut in einem Kriegsgebiet wieder: Mit monatelangen Ausgangssperren, Massakern und Zerstörungen ging die AKP-Regierung gegen die Bevölkerung in Städten und Dörfern vor, in denen die linke Partei HDP Wahlerfolge verzeichnet hatte. Mittlerweile hat die Regierung den Ausnahmezustand um drei Monate verlängert.

Wir haben vier Journalistinnen aus dem Südosten der Türkei nach ihren Perspektiven auf die politischen Entwicklungen und ihren beruflichen Erfahrungen gefragt.

Elif, 22 Jahre: „Viele Dinge erfahren wir nur aus dem Internet.“
Ich studiere Medienwissenschaft und Publizistik und sammle gerade erste Erfahrungen als Praktikantin bei einer Lokalzeitung in Gaziantep. An meinem Arbeitsplatz sind die Auswirkungen des Ausnahmezustands durchaus Thema. Auch wenn vorher schon vieles verboten war, ist nun die Pressefreiheit noch weiter eingeschränkt worden. Ich möchte einen Beitrag leisten zu den sozialen Bewegungen, die Pressefreiheit fordern. Allerdings ist die Zeitung, bei der ich mein Praktikum mache, an die Veröffentlichungspolitik des Medienhauses gebunden – dass regierungskritische Beiträge nicht erwünscht sind, stört mich natürlich. Ein Praktikum bei einem linken Medium wie der Frauennachrichtenagentur JINHA oder der kurdisch-türkischen Zeitung „Özgür Gündem“ akzeptiert meine Universität aber nicht. JINHA macht eine sehr gute Arbeit, gleichzeitig sind Reporterinnen dort mit Repression konfrontiert. „Özgür Gündem“ wurde geschlossen, mit der Be…