Von Amelia Umuhire

Diesmal schreibe ich aus Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos. Das Land wird alle zwei Jahre zum Zentrum des afrikanischen Kinos, seit es 1972 begann, das panafrikanische Filmfestival FESPACO auszurichten. Ich bin eingeladen worden, mit anderen afrikanischen Medienmacherinnen einen Guerilla-Film-Workshop für Jugendliche im Rahmen des Festivals zu geben.

Es lädt: Die Brazil-Version von Michael Jacksons Musikvideo "They Don't Really Care About Us". @ Tine Fetz
Es lädt: Die Brazil-Version von Michael Jacksons Musikvideo „They Don’t Really Care About Us“. @ Tine Fetz

Andere Workshopleiter*innen sind Ifrikia, eine Journalistin, Bloggerin und Medienunternehmerin aus Congo Brazzaville, Orphelie, Redakteurin beim afrikanischen Musiksender Trace TV und erfolgreiche Bloggerin aus Abidjan. Und Liz, eine Videokünstlerin aus Senegal, die in Paris lebt und arbeitet. Der einzige Mann in unserer Gruppe, Sobel, ein sozialer Unternehmer aus Dakar, hat es mit seinen sozialen und innovativen Projekten zur Förderung von sozialem Engagement von Jugendlichen sogar schon ins Weiße Haus geschafft.

Ich bin extrem beeindruckt und ein bisschen eingeschüchtert, als ich die Gruppe kennenlerne. Doch schon am ersten Tag fühlen wir uns durch den gemeinsamen Frust über den Mangel an einer ständigen Internetverbindung verbunden. Am Morgen begrüßen wir uns mit den Neuigkeiten zum aktuellen Verbindungsstatus, neue WLAN-Verbindungen und ihre Passwörter werden in konspirativen Sitzungen weitergegeben und wir debattieren, welche Uhrzeit die Beste ist, um fast problemlos ein Video bei YouTube hochzuladen. Vielleicht scheint es etwas übertrieben, aber das Ding ist, dass ohne Internet keine von uns die Karriere hätte, die uns an diesem Ort zusammengebracht hat. Dass keine von uns es geschafft hätte, ihre spezifische Weltsicht und Vision zu verwirklichen, Gleichgesinnte zu finden und so endlich unsere Geschichten in ihrer Vielfalt sichtbar zu machen. Das Ding ist, dass wir ohne das Internet schlichtweg nicht voneinander wüssten.

Seit Tagen macht die von der kamerunischen Regierung veranlasste Internetsperre im englischsprachigen Teil des Landes wieder Schlagzeilen in den regionalen Nachrichten. Junge Menschen in unserem Alter und mit ähnlichen und sehr berechtigten Bestrebungen halten Schilder mit Slogans wie „Bring back our Internet“ in die Fernsehkameras. Eine französische Stimme berichtet von der politisch motivierten Sperre, die seit Mitte Januar den südwestlichen und nordwestlichen Teil des Landes nach Protesten gegen die Regierung erfolgreich vom Internet abkappt.

Auf unserer Seite haben wir mittlerweile festgestellt, dass wir mehr gemeinsam haben als die bloße Liebe für fließendes Internet. Bei gegrilltem Hähnchen, Bier und sehr süßem Karton-Sangria schauen wir illegal heruntergeladene Filme an und erzählen einander von unserem jeweiligen Alltag in den unterschiedlichen Metropolen.

Als wir danach gegen zwei Uhr morgens alle in meinem Zimmer enden, hören wir das neueste Album von Stromae durch. In Deutschland vor allem durch „Alors on danse“ bekannt, ist er für mich und meine Generation Ruander*innen und Afrikaner*innen ein bisschen wie unser David Bowie. Auch ist er wie ich das Kind eines verstorbenen ruandischen Mannes und singt meiner Generation aus der Seele, indem er die Trauer und Schwere unserer Geschichte in leichte, einprägsame Beats einhüllt und so unsere Geschichte teilweise unbemerkt in die Popkultur schleicht.

Ifrikia kennt alle Texte auswendig. Über Stromae kommen wir auf Michael Jackson zu sprechen und debattieren, ob er nun 2010 oder 2009 gestorben ist und welches sein bestes Video war. Wir einigen uns auf „They don’t care about us“ (wobei wir bis heute noch unentschieden sind, ob die Brazil-Version oder die Gefängnis-Version) und während das Video ungewohnt schnell lädt, schaut Ifrikia auf die Uhr und reibt sich vor Freude die Hände. Ab zwei Uhr morgens beginne die beste Uhrzeit, um sich einzuloggen, verkündet sie mit ihrem kindlich-verschmitzten Lächeln, da um diese Zeit die Mehrheit des Landes schläft.